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Kazinczy Ferenc – Mailáth Jánosnak
Eperjes, 1822. március 6.
Eperjes den 6ten März 1822.
Hochverehrter, hochgeliebter Graf,
Ich erhalte diesen Augenblick Ihr mir sehr theures Schreiben vom 31 Decemb[er]. Sie kennen meine Verehrung, meine Liebe für Sie, und ich habe nicht nöthig, Ihnen zu sagen, wie sehr mich dieser längst ersehnte Brief wieder aufrichtet. Es ist so lange daß ich Sie nicht sah, daß ich von Ihnen nichts wußte, und ich habe besorgt, eine*
eine<n>
Krankheit oder Unannehmlichkeiten, welche vielleicht eine Krankheit überwiegen, wenigstens beykommen, haben Sie anfallen können. Sie geben mir wieder einen Beweis Ihres unschätzbaren Wohlwollens, und ich bin ruhig.
Das Ihnen mein Epigramm gefallen könnte, habe ich wohl erwartet, und ich freue mich unendlich zu sehn, daß ich mich in meiner Erwartung nicht getäuscht habe. Auch mein Inneres, meine ganze Denkungsweise ist darin ausgesprochen. Das ist meine durch Irreligion erläuterte glühende Religion. Gäbe Gott, daß dieses Epigramm von vielen verstanden würde. Loffen-Irreligion, wie Herder sie nennt, ist die Pest der Menschheit; das, was dieser entgegensteht, erniedrigt den Menschen; diese, die meine, ist uns Trost und Stütze; diese ist uns alles; mir gewiß alles.
In kurzem zeigt Ihnen Igaz ein Gedicht a’ Bűnösök, von welchen ich auch hoffe, daß die Ode (numerisque fertur lege solutis) Ihnen gefallen wird. Diese ist der Aurora zugedacht, und nicht meinem geliebten Freunde Igaz. Ich wünsche, daß sein Taschenbuch so wie das des edlen Kisfaludy Károly bleiben, lange bleiben, und mit einander mit aller Erbitterung des edlesten Stolzes wetteifern. Ich mag in keiner Sache Monopolien, denn sie führen uns zur Einseitigkeit, und bin versichert, ich bin gewiß, daß uns nur Reibungen abschleifen können, weil uns andere Mittel des Abschleifens fehlen. Aber Reibungen sollten wo nicht freundschaftliche, doch ein anders als edle seyn. Wir prangen ewig mit unsre hazaszeretet, und können nicht ertragen, wenn jemand unserer Person oder unsern Dünkel von uns selbst, etwas nahe tritt; wir predigen ewig Bescheidenheit, Demuth; aber wehe dem, der uns merken läßt, daß er uns nicht anstaunt und bewundert. Vos estis sal terrae, sagte der Herr zu seine Jünger; und so ein sal sollten auch die Schriftsteller der Nation seyn. Das würde gewiß an die Nation stark und gewaltig wirken, und unser Beruf sollte ja kein andrer seyn, als diese immer mehr zu werden.
(Daß ich ja nicht vergesse, daß Gregor Berzeviczy eines plötzlichen Todes den 11 oder 12 Febr[uar] starb. Er wollte den Geburtstag des Monarchen mit einer Musik feyern, und während daß er mit diesen Veranstaltungen beschäftigt war, fiel er todt um. So erzählt es jeder hier.)
Ich tödte meine lange Weile hier mit der letzten Überarbeitung meiner Erdélyi Levelek. Die vielen Rathgaber haben mir den Kopf verdreht. Es ist sehr lange daß ich das M[anu]S[cript], unberührt liegen ließ, und nun las ich es, wie ein fremdes Werk. Ich schriebe diese Briefe mir und nicht meinen Rathgebern zu lieb, und so rechne ich darauf, daß Sie, mein Herr Graf, damit weniger unzufrieden seyn werden. So wie ich mit dieser Umarbeitung fertig bin, übergebe ich das M[anu]S[cript] der Presse.
Der Starrsinn meines Gegners im Proceße ist fast ohne Beyspiel, und weil er Unrecht hat, und doch siegen will, so spielt er spectaculöse Spiele. Ich will mit Weib u[nd] 7 Kindern lieber arm seyn, und reiche Edlen anbetteln, wenn es so weit kommen sollte; aber betriegen,*
betrügen
stehlen, Imposturen spielen werde ich nie, nie! – In Decemb[er] habe ich für meinen Procurator eine Information aufgesetzt, von welcher man das Urtheil fällte, daß es sehr gut lateinisch geschrieben ist. Ich schickte also den Aufsatz an Prof[essor] Kézy, um doch zu hören, ob ich das Lob verdient habe. Auch er schrieb in dem Ton zurück. Ich setze Ihnen verehrter Graf wenigstens eine Stelle her, und das darum, damit Sie sich überzeugen, daß Sie Ihre Achtung keinem unwürdigen geschenkt haben. Durum est, et asperum, illas (nehmlich sorores) successione in Kázmér privare, successione in Pászthó et Sávoly ob commoda masculorum jam privatas, dum frater T[örök] partes earum vi occupatas vi tenet, et in sororibus, aliud de se meritis, non injuriam suam in Ónod, quae nulla, sed falsas tantum spes suas ulciscitur. – At filialis pietas sororum in patrem opt[imum], justissimumque quos terra coluit virorum (das war Ludwig T[örök] gewiß) addi ad has preces unum adhuc jubet. Indignum est, ut memoria talis tantique vori, hominis frugi et sobrii, beandis unice prolibus intenti, rei suae auctoris, domus restauratoris,) sein Vater hat 900, 300, also bald eine Million auf Wiener Scheine reduciert, verzehrt) qui nomen a majoribus acceptum et eminenti numere publico cum dignitate gesto, et fama eruditionis non egregie tantum tuitus est, sed illustravit etiam, irreverenti et veritate aliena narratione laceretur; indignum est, ut proles talis tantique viris matrisque matronae venerabilis (quae Bona inter proles suas praecepto mariti Acquisitoris obsecuta, dividi etiam tum volebat, ubi von dem Sohne gezwungen nolle videretur) inter se litigent, animumque suum erga se invicem exacerbari sinant, exacerbentque. Controversia haec inter proles eodem sanguine cretas melius poterat amica rerum illustratione pensitationeque momentor, sopiri, und ich erzähle, wie ich ihm die Proposition gemacht, daß die Frage durch ein Compromiss gepflichtet werde, und ihm frey ließ, das praesidium dabey seinem innigsten Fr[eun]de, ja, dem Bruder seiner Frau, zu übertragen, und dazu für sich zwey Assidenten zu wählen werden. Er ging es nicht ein, denn er sah, daß er das Gut so gleich wird herausgeben müssen.
Villi Táncz ist ausserst interessant, u[nd] wie es zu erwarten war; das aber hat alle meine Hoffnungen übertroffen, daß Sie, mein Herr Graf, der sich so lange nur der deutschen Versification gewidmet haben, sogar ottave rime wagten, und glücklich bestanden haben. Sollte ich aus der Aurora etwas selbst geschrieben zu haben wünschen, so ware das die äussert méltóságos, eggyszerű és lelkes*
eggyszerű <Prosa> és
Darstellung von Horvát István, Kisfaludis Élet korai in ottave rime, und das schöne Lied von Kölcsei, a’ Szép Lenka. Das mittlere Gedicht ist reich an Blumenschmuck; Kölcseys Lied hat philomelentöne; und Horvát erscheint als Heldensohn des Vaterlandes u[nd] Held der Sprache. Meinem Helmeczi hätte Plato zugerufen was er dem Xenoerat zurief. Es ist nicht genug, daß unsere Sprache kraftvoll sey; sie soll auch süß seyn, besonders in der Übersetzung eines italienischen Gedichts.
Und nun zum Schluß eine Nachricht, welche Sie entzücken wird: – Kisfaludy Sándor ist mir ausgesöhnt. Es ging sehr schwer, aber es ging, und ich drücke die Augen über manches zu, damit es noch mehr gehe. – Ich hielt von Anfang her damit, daß wir ohne Recensionen nichts gewinnen werden, und daß diese den Schriftsteller bedachtsamer, die Leser aufgeklärter machen müssen. Dunst und Dampf kann nur durch Gewitter vertrieben werden. Ich, aber nicht ich allein, gaben also Recensionen [heraus]. Ich theilte aber meine Recensionen dem recensirten Auteur sehr oft mit; so auch Kisfaludy. Er war höflich beleidigt, u[nd] antwortete mir nicht, schrieb mir nie mehr. Ich hätte die Recension zurückhalten sollen, u[nd] ich ließ sie abdrucken. Dies beleidigte ihn noch mehr. Verleitet durch Schillers Xenien (die ich aber nie sah, sondern bloß aus Nachrichten kannte) gab ich die Tövisek u[nd] Vir[ágok] heraus, und nun war die ganze Welt wider mich. Credit enim manare poetica mella se solum – – – Takács wüthete, u[nd] so entstand der schreckliche Haß der Transdanubianer. Takács u[nd] Horváth Endre steckten die Fahne aus, und es waren viele die sich zu sie schlugen; auch die, die mit Gewalt eine Academie des Quarantes bey uns haben wollten, weil ich dawider arbeitete und die persönl[iche] Freyheit des Dichters in Schutz nahm, u[nd] lehrte: Alles ist gut, sey es auch neu, wenn gute Schriftsteller es gebrauchen.
1815 besuchte ich Takács in Raab, u[nd] sagte ihm: Fehle ich, warum überweist man mich meiner Verirrungen nicht, in Briefen, oder in Recensionen, oder in Gegenschriften; und wozu sind die wider mich ausgeschickte Meuchelmörder? wozu Complote und Zusammenrottungen. Er sprang auf, u[nd] las mir einen Brief von Horvát Endre vor, die mir die Embryo der zuerrichtenden Ungr[ischen] Academie leibhaftig vor die Augen stellte. Horvát Endre referierte ihm, wie der Herzog von Bassano an Napoleon. Ich lachte in mir über den neuen Maret u[nd] den neuen Napoleon. In der Rückreise von Wien stieg ich mit Weib u[nd] Tochter bey Takács ab, um ihn u[nd] Horvát Endre zu überführen, daß sie sich in mir irren. Sie glaubten, ich sey in mich so verliebt, daß ich Alles im Allen seyn wolle. Das half nichts. Takács wünschte, wir sollten wieder Faludis werden, u[nd] uns vom deutschen Anstrich hüten; und ich sagte wir sollten Griechen, Römer, Deutsche zu Vorbilder nehmen, der neue Napoleon versprach mir, sein Minister würde mich in Briefen entkezern. Aber der neue Minister der philologischen Angelegenheiten war so unbewandert, daß er nicht einmal wußte daß arcus von arceo kömmt, u[nd] also Pfeilbogen und nicht die Fornix der Zimmer in der ersten Deutung bezeichnet. Unsere ministerielle Unterhandlungen zerschlugen sich also, u[nd] Takács ward noch mehr erbittert. Jetzt stund er selbst, der ungr[ische] Napoleon wider mich auf in seinem Aufsatz im Tud[ományos] Gy[űjtemény] a’ Recensiókról. Ich las, u[nd] sah daß er es ist der spricht. Sein Wirwarr u[nd] seine ewigen Zitationen sagten mir das. Damit ich ihn aber nicht errathe, so ließ er den Aufsatz durch Versegi abschreiben u[nd] Verseghi lieh ihm seinen Namen Füredi (Franz) Vida (Verseghi). Ein edler Mann verrieth den Streich an mich. Ich habe mit dem Condordia Discors geantwortet. – Aus dem M[agyar] Kurir sah ich Takács sey tod. Ich schrieb einen herzlichen Brief an Pápay. Er ward über meinem Adel gerührt, daß ich über dem Tod meines hartnäckigsten Gegners noch wirklich u[nd] ungeheuchelt traure. Neki az volt hibája hogy nem hihette hogy a’ ki nem ugy gondolkozik mint ő, szerethesse a’ mit ő. Und da ich ihm schrieb, ich bin stark genug in allen Zusammenstossungen die Reconciliation zu verlangen, ich mag Beleidiger oder Beleidigter seyn; so bat mich Pápai diesen Schritt bey Himfy noch einmal zu wagen. Ich that es auf der Stelle, den 20. Aug[ust] – Den 31 Jänner erhielt ich Pápais u[nd] Kisfaludys Schreiben; dieser war ziemlich kalt, u[nd] kostete viel ihm; aber ich erhaschte seine Rechte, und sprach warmes Herzens. Seine Freundschaft werde ich immer mehr u[nd] mehr gewinnen mich bestreben. – Haben Sie schon das Programm des brutalen Bacsányi üb[er] die neue Ausg[abe] v[on] Faludi gelesen? Lazar Somsich nannte ihn nie anders als a’ marha-ember, und ja, das ist er. Ich werde groben Menschen nie antworten, wenigstens nie grob. Scharf kann ich seyn, aber grob zu seyn ist mir nicht gegeben. Leben Sie wohl, verehrter Graf. Ich erwarte mit ungeduld Ihr Werk bey Cotta. –