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Kazinczy Ferenc – Mailáth Jánosnak
Széphalom, 1821. június 11.
Széphalom d[en] 11 Jun[i] 1821.
Hochverehrter Graf,
Ruhen die accente (á, é, i, etc.) immer, oder doch meistens, auf den Wurzeln der Wörter? oder, quod idem est, auf den entscheidenden Sylben des Wortes?
Dies ist die Frage, welche Sie mir in Ihrem letzten Schreiben vorlegen.
Wir Ungarn haben Wörter, welche gar nicht betont sind. Fa, kebel, szerelem, tehetetlenek. Lesz ist Wurzel, unbetont. létel, étel, vétel, tétel – in diesen ist der Ton auf dem Wurzelsylben.Aber was werden wir von felém, reám etc sagen? was von falás, vevés, verés? – Ich glaube, unsere Sprache gleicht in dieser Rücksicht ganz der griechischen u[nd] lateinischen, nicht der deutschen.
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Daß Sie, mein Herr Graf, sich ganz zum Ungrischen Dichter und Schriftsteller weihen, ist ein köstlicher Gewinn für unsere Literatur. Ihre Talente, Ihre hohe Bildung, Ihr Ton, den Sie sich in dem Umgange nicht nur der grossen Welt, für welche Sie erzogen waren, sondern auch in der Verbindung der edlesten Männer, wie Moritz Dietrichstein, an dessen schönen Brief ich nicht vergessen kann und will, dann die Musik, in welcher Sie sich einen überwiegenden Namen erworben haben, berechtigen uns zu stolzen Erwartungen. Gelänge Ihnen in dieser Ihnen bis jetzt noch ungeübten Sprache ein Lied, wie des armen Vatershaus, oder ein prosaischer Aufsatz, wie die schöne Zueignung an den deutschen Krieger mit dem Franz[ösischen] Namen und die an Ihre Frau Gemahlin, – und warum sollte so etwas Ihnen auch im Ungarischen nicht gelingen; so wäre das ein Kleinod, dessen wir und bis jetzt kaum zu erfreuen haben. Sie lieben Szemere und er liebt Sie, wie ich hoffe. Mein Rath, wenn ich Ihnen einen geben, dürfte, wäre, daß Sie nicht drucken ließen, bis er es liest. Wäre Szemere in meiner Nähe, ich würde gewiß nie etwas herausgeben bevor er es gelesen hat. Selbst ihn würde ich nicht blind befolgen; selbst ihn nicht: aber es ist immer gut, wenn man über den Werth eines Aufsatzes ihn hört. Ich kenne viele die nicht ungern ihre Meinung sagen: aber sie alle zusammen sind mir nicht Szemere. Er hat Geschmack und Grammatik: viele haben nicht beydes, oft weder das eine noch das andere.
Die grosse Fertilität von Kisfaludy Sándor beneide ich dem herrlichen Manne gewiß, ja ich bewundere sie an ihm. Die Stücke, welche ich aus seinen Himfy’s Szerelmei in meiner Recension gelobt habe, sind Meisterwerke. Wären diese kleinen Gedichte in scandirten Zeilen geschrieben, dann wären sie das höchste in unserer Poesie. Auch so stehen sie hoch in der Zahl. Übrigens bin ich frey Ihnen zu gestehen, mein Herr Graf, daß mir Himfy unsern Autodidakten auf der Violin gleicht,*
gleicht<en>,
die das Instrument geistreich streichen, aber für die höheren Reitze eines Gluck, Bach, ja auch nur eines Pleyel und Mozart taub sind; sie wollen nichts als magyar táncz. Erinnern Sie sich der alcäischen Ode von ihm an Festetics, welche das Tud[ományos] Gyüjt[emény] aufnahm? Und was sind denn seine Jamben im Hunyadi? (ich nannte Jamben, damit ich nicht über seine dramaturgische Schöpfung urtheilen zu wollen scheine.) Mir ist das Werk eben so unlesbar, wie seine Regék, und das nicht wegen der scansion und schema, sondern wegen der Weitschweifigkeit und andern Fehlern der diction. – Wissen Sie schon, daß sein Bruder Karl ein Gedicht in Arbeit hat in achtzeiligen Stanzen? Bey Gott, wir schreiten vor! schriee ich, als ich sie las. Ein warmer Pinsel, und die Sprache geheilt, edel; in romantischer Tinte. Ich bin stolz, im buchstäblichsten Sinne des Wortes stolz über die Liebe, mit welcher mich der edle Mann beehrt. Hätte ich diese verdorbene Menschennatur, welche Füredi Vida (Takács u[nd] Verseghy) in mir wittern, und könnte ich neben meiner und vor meiner niemand leiden; so würde ich Berzsenyi, Szemere, Szent-Miklósy, Kisfaludi Károly und Klauzál, wie Belzebub, und wie seine Gebrüder heißen, einen Engel des Lichtes haßt, hassen.
Meine ganze Hoffnung ist, nach dem Tode meines Ungvár-Németi, Klauzál. Ich glaube, in ihm beginnt eine neue Epoche unserer Literatur. Bis jetzt kenne ich seine Handschrift nicht, weiß nicht einmal wer er ist; mich verblendet also nicht Freundschaft. Aber seine Ode an Koháry, und sein Roman in Igaz’ Zsebkönyv, Róza és Kálmán, sind herrliche Erstlinge. Seine Sprache gleicht der Sprache des Sallust; diesen sollte, nachdem mein Sallust erscheinen wird, Klauzál übersetzen. O daß mir die Beschämung noch werde ehe ich ad deos inferos abgeruft bin! Küssen, küssen werde ich den Räuber meiner Krone. Denn ich will Ihnen mein Herr Graf, nach der imprudenten Freymüthigkeit, die ich tief in meinen Charakter habe, nur gestehn, daß wo mir auch diese Krone nicht gegeben wird, ich sie mir slebst, stolz inmeine Bewußtseyn, aufsetzen werde. Unstreitig ist das, sammt Emilia Galotti und Marmontels Contes, das beste, was ich versucht habe. Nun bin ich mit diesem Sallust vollkommen fertig. Jugurtha ist im Tone, welchen ich bey Catilina gehalten, übersetzt: in den in ihrer integrität auf uns gekommene Fragmenten, und den Episteln an Caesar habe ich aber mit der abscheulichen Licenz der Franzosen gearbeitet: den Sinn aufgefaßt, und in einer glatten, leicht verständlichen, spielenden, ja brillanten Sprache gegeben. Sallust erscheint in Catilina und Jugurtha in seiner römischen Toga: in den Fragmenten und den Episteln in frakk und pantalon. Takács und Verseghy würden und werden nicht*
werden <sagen> nicht
klagen können, daß ich den Ungar zu einem Römer gemacht habe, wohl aber zu einem Franzosen. Doch lasse man sie sagen, was ihnen beliegt. Wenigstens habe ich gezeigt, daß unsere Sprache eine Vielseitigkeit hat, wie keine ausser der Deutschen. [*]
Ich habe in meinem frühern Brief an Sie, mein Herr Graf, nur sagen wollen, daß Schiller seine Wortmengerey so treibt wie ein Engländer, und alles so würzt, wie die Engländer. Auch ich lese nicht englisch; habe aber noch Englands Sprache mit andern verglichen.
Hormayrs Taschenbuch für 1821 sah ich noch nicht. Bey dem allgemeinen, mich ganz erdrückenden Geldmangel, legte ich mir die schwere Strafe auf, nur das allernothwendigste, unentbehrlichste zu kaufen. Mein Schwager hält die Succession meiner Frau bis auf den letzten Heller zurück, trotz dessen, daß er den Process gewiß verlieren wird. Aber er meint, qui habet tempus, habet vitam. Und ich bin Vater von 7 Kindern, Bruder von 7 Geschwistern.
In Igaz’ Zsebkönyv werden Sie, mein Herr Graf, Podmaniczkys Roman (vielleicht nach Kotzebü) dann die Csáky Lóra, wegen der schönen anmuthigen Sprache und Vortrag, dann noch mehr Papps Reise mit Vergnügen lesen. Ich habe den jungen Podmaniczky complimentirt, und ihn auf seinen grossen Verwandten Joseph, und auf seine Ahnen die Ráday und Teleki erinnert. Bliebe bey ihm Schriftstellerey nur Leidenschaft, und nicht Spielwerk. Von ihm erwarte ich sehr viel. Er trat mit einem vortrefflich gearbeiteten Stück auf. – Lachen Sie nicht darüber, daß mein Name auf den gestochnen Titelblatte*
gestochnen <Kupfer> Titelblatte
dieses Taschenbuchs erscheint. Das geschah ohne mein*
mein<en>
Wissen, und Wollen. Ich zeichnete den Tokayer Berg ohne Licht u[nd] Schatten, weil man von der Spitze des Várhegy bey Ujhely nichts als nur die contouren an einen Novembertag sehen konnte, u[nd] schickte Igaz die Zeichnung bloß darum, damit er sich den Berg seiner Heimath lebhaft vorstelle. Er ließ die Landschaft hinzeichnen, aber die kürzere Seite ist durch die Schuld des Kupferstechers falsch.
Ihr unterthänigster
Kazinczy Ferencz.

Da Sie, mein Herr Graf mit dem Administrator des Zempliner Comitats, dem Herrn Baro Tabulae Freyherrn von Malonyai verwant sind, so glaube ich, daß es Ihnen nicht unangenehm seyn wird, wenn ich Sie bitte, meinen Sallust seinem Kammerdiener zu übergeben. Seine Introduction geschicht in Julius, und eine sicherere Gelegenheit finden Sie nicht, mir das Päckchen zurück zu schicken.

[*] [A lap alján Kazinczy jegyzete:]
(Takács ist ja todt – von mir heiligst bedauert, denn er war treu.)