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Mailáth János – Kazinczy Ferencnek
Bécs, 1822. szeptember 20.
Wien am 20/9 XXII.

Ihren Brief vom 6/9. erhielt ich vorgestern, ich benüze die heut’ abgehende Post um ihnen sogleich meinen Dank zu berichten dass sie sich so lang mit der Ummodlung meiner Geisteswechselbälge befasst haben. Drükken Sie meinen lebhaften Dank auch dem geistreichen Grafen Dezsőffy aus der thätig Hand ans Werk gelegt hat. Die beiden Übersezungen haben mir aber die traurige Überzeugung verschafft dass die ungrische Sprache noch einer sehr hohen Ausbildung bedarf um der deutschen nur nahe zu kommen, ja mir dünkt, dass sie im gereimten Versmass, selbst wenn die Sylben nur gezählt werden, nie die Biegsamkeit erlangen wird derer sich die Deutsche mit vollen Recht rühmt. Es giebt zu wenig Reime. Da der Herr Graf so gut war den Herbst zu übersezen wäre es mir noch weit werther gewesen wenn er sich nicht an die Form des Herbstes sondern an die Idée gehalten hätte. Die ungrische Sprache kan[n] keine Stanzen bilden die den deutschen gleich kämen. Wenn manchmal einz[e]l[n]e Stanzen gut gelingen so ist das Zufall. Ich glaube mein Herbst würde sich ungrisch am besten im elegischen Versmass ausnehmen. Ein hexameter ein Pentameter. Der Grundton des Gedichtes ist ja Wehmut. Und die griechischen Versmaase*
Versma<s>se [Az „s” javítva „a”-ra.]
sind für die ungrische Sprache wie erfunden. Erinnern sie sich nur wie vortrefflich Sie „das schlafende Kind” übersezt haben, weil sie von meiner Form abweichend, eine andere aber passende erwählt. Sind sie so gut meinen Herbst um zu giessen in eine Elegie?
„Des Schmerzes Lodern we[c]kt das Dichterreis”
„A’ keserv lobogva tollat akar”
Wunderschön!
Ich bin mit der poetischen Sprache Ungerns nicht so bewandert um sagen zu können ob im vorhergehenden Vers das Wort „vakar” ein poetischer Ausdruck [ist]. Ich würde es nicht wagen in deutsch zu gebrauchen. – Der 4. Vers 2. Strophe giebt meinen Sinn nicht. Ich will sagen: das Gedicht habe der Schmerz gewe[c]kt, die Menschen aber glauben die*
glauben <der> die
Brust der es entstiegen sei ruhig.
„Es flammt dort Weh’, wo Ruhe sie vermuten”
Die Überse[t]zung aber sagt das nicht, sondern wiederhohlt*
[Helyesen: „wiederholt”.]
den Gedanken der zwei ersten Verse derselben quatrine
„’S lángol a’ Jaj fagy alatt, titkolván rezgését”
liesse sich hierin nicht helfen?
Der erste und die zweite Terzine sind vortrefflich wieder gegeben, nur die zwei lezten Verse scheinen mir die Entschlossenheit der Verzweiflung die*
Verzweiflung <im> die
im deutschen her[r]scht nicht mit derselben Kraft des Ausdruks zu geben.
„Doch sterb’ ich eh’, eh’ ich mein Inn’res zeig,
Drum blute Herz, verblute – aber schweig.”
„Ám de halok meg elébb mint Szivem árja
Belsömből a’ sebet ’s a’ vért kitárja.”
Ich unterbreite di[e]s sehr gern ihrem Urtheil da ich mit der Handhabung der ungrischen Poesie, und mit dem was in ihr poetischer Ausdru[c]k ist bei weitem nicht so bekan[n]t bin als*
bin <sind> als [A „bin” utólag beírva a törölt szó elé.]
Sie mein werther Freund.
Wenn Sie und Desöffy sich denken: der Mensch ist schwer zu befriedigen, er sollte zufrieden sein wenn man sich mit seinen produkten einigermassen befasst, so haben Sie recht. Aber Sie wissen ein Poet ist noch eitler als ein Fräulein, und welchen Lerm*
[Helyesen: „Lärm”.]
machen die nicht oft einer einzigen Ste[c]knadel wegen? Überdem sind sie so gut und mild dass sie mich gewiss entschuldigen, und auch bei*
auch <bei..> bei
dem mir wenig bekan[n]ten, aber von mir hochverehrten Grafen vertreten.
Der Kongress wird in Verona, Unser Kaiser reist den 1/10 dahin ab. Sonst ist nichts neues, weder literarisches noch politisches. Wer verlegt ihre Siebenbürger Briefe und den Sallust? Sie glauben nicht wie ich mich darauf freue. Ihr Freund
Mailáth mpr.