Széphalom den 13. Jun. 1819.
Ihre zwey verehrten Zuschrifte, mein Herr Graf, habe ich fast mit einer und derselben Post erhalten; die frühere hatte das Loos, irgendwo auf unsern Postämtern, stecken zu bleiben. Ihre Aufmerksamkeit, Ihr Wollwollen,
*[Helyesen: „Wohlwollen”.]
edelmüthiger Mann, macht mich stolz, und das Glück, Sie zweymahl gesehen zu haben, mich von Ihnen geliebt zu wissen, gehört in die Reihe der Vorfälle meines Lebens, um welche ich meinem Verhängnisse nicht genug danken kann. Stolz, um mich um den Beyfall des grössern Haufens zu bekümmern, finde ich in jedem Merkmal Ihrer Zuneigung eine unsägliche Seeligkeit, und das sportnt mich, diesen köstlichen Erwerb auf immer mir eigen zu machen. So oft ich an Sie denke, so schallt mir in der Seele das wieder, was Sie in Ihrer schönen Zuschrift an Fouqué gesagt haben. Auch mir ist jene schöne Religion, welche nicht grübelt, aber sich fühlen, empfinden lässt, heilig; én is szeretem a’ Hazát, azt a’ kedvest; auch mir ist Poesie das Element, in welchem ich lebe und webe; auch ich habe von den erstern Jahren meiner Jugend Frauen gekannt, als Gegenstände der innigsten Verehrung, ja, der Ehrfurcht sogar, u[nd] nicht als die des Leichtsinnes und einer Wollust, die die Feindin und Mörderin der Wollust ist. Dies letztere bewährt auch mein häusliches Glück, und meine Jugend im sechzigsten Jahr. Gott lasse Sie, verehrter Graf, meine Jahre in der Jugend meiner Kräfte erreichen.
– – non turpem senectam
Degere, non cithara carentem. Horat.
Ich habe keine Worte, um Ihnen für Ihre Geschenke, welche mir die zwey Briefe mitgebracht haben, zu danken. Lassen Sie mich nur sagen, dass mir der Brief des Grafen Moritz Dietrichstein Thränen aus den Augen gepreßt hat. Wohl dem kaiserl[ichen] Enkel, daß seine Erziehung einem Manne dieses Sinnes anvertrauet ward! sein Herz hat in dem Schimmer des Hofes die Gefühle des Menschen und des Vaters nicht verlernt. Wie heilig spricht sich sein Herz in der Betrübniß über das Unglück seiner geliebten Tochter aus. Geben Sie mir ein Königreich, geliebter Graf, ich mache ihn, den edlen Mann, zum König, und werde selber, mit allen Gefühlen eines Römers, sein Unterthan. – Schluchzend las ich seine Zeilen, mit den Lauten der Natur, meiner Frau vor, und sie und ich verstummten. Und wir sind doch nicht Eltern eines leidenden Kindes. –
Der Verfasser der kleinen Schrift: Ansichten von Siebenbürgen soll Graf Franz Teleki, Sohn des Kanzlers, seyn. – Meine Erdélyi Levelek sind in den Händen des Censors. Ob er viel streichen wird, weiß ich nicht. Die Sachsen Siebenbürgens sind gegen mich entrüstet, weil ich von Ihnen manches gesagt habe (Tud. Gyüjt. 1818…), was ihnen nicht schmeichelt, und mancher Ungar in Siebenbürgen auch, weil ich einen Laffen aus ihrer Mitte, der in einem Ball, den die Sachsen ihrem Comes zu Ehren gaben, mit einem schönen sächsischen Mädchen nicht tanzen wollte, unter die Ruthe nahm. Überall
*wollte, <weil sie eine Sächsin war.> Überall [Az „unter die Ruthe nahm” a sor fölé írva.]
werde ich gezwickt, weil ich andere nicht schone; so ging es auch Horazen; und Trebaz sagte ihm dies voraus. (Satyr. II. 1.) Ich kann nun einmal das Zwicken nicht lassen, weil ich mir einbilde, das manches Zwicken wohlthätige Folgen hat. Auch in moral[ischer] Hinsicht ist es wahr, was Wieland nach Crebillon sagt! – (Wiel[ands] Briefe, Wien, 1815. l. S. 202) „Und überhaupt bin ich gänzlich der Meinung, welche Crebillon sehr wohl in seiner Vorrede zu den Egaremens etc. ausgedrückt hat: tout auteur, retenü par la crainte de ne pas plaire assez à son siecle, passe rarément
aux siecles à venir.”
*[A záró idézőjel hiányzik; emendálva.]
– Um das letztere ist mir nicht zu thun; ich weiß sehr wohl, wie wenig Anspruch ich auf dieses Glück machen kann und soll: mir ist es genug, wenn diese siecles à venir einst sagen verden, ich habe meinen Zeitgenossen keinen bösen Weg gezeigt, und das wenige, was ich selber geliefert habe, war nicht viel schlechter als was meine Tadler zurückgelassen haben. – Reiben werde ich unerschrocken, bis ich etwas zu reiben habe; Glätte erlangt man nicht anders, und das ist bey uns noth.
Daß meine Antikritik Ihren Beyfall haben wird, habe ich mir fast zugesichert; auch Sie, mein Herr Graf, sind Freund von Filagória, und halten dafür, daß wir uns mit den gehaßten Gothusok, Vandalusok, Gepidák noch lange, lange nicht werden messen können, – und wenn diesen Herrn gelingen sollte, ihre Eggység zu erreichen, nie! Es ist ein grosses Unglück, daß sie, Narcissusse, sich lehr
*[Bizonytalan olvasat, esetleg: „leer”.]
liebgewonnen haben; noch mehr Unglück aber, daß sie nichts lernen, nichts untersuchen wollen. – Meine Epistel an Festetics hat allgemeinen Beyfall, den meinen aber wenig. Ich habe gewußt, daß F[estetics] Producte im ältern Geschmack lieber, als die im Neuern, hat, und ich glaubte ihm seinen Geschmack lassen zu müssen, besonders da mich dieser mir ganz neue Versuch als denjenigen bezeichnen wird, auf den es ankommen könnte, sich so allgemein bewundert zu sehn. Wäre ich der Eitle, wäre ich der nach Bewunderung hungernde, den Füredi Vida et Compp[anie] in mir finden, so
*hungernde, so [A „den Füredi Vida et Compp[anie] in mir finden,” a sor fölé írva.]
stünde mir ja der Weg, Lorbeere Hände voll auf zu
*Lorbeere <…> zu [„Hände voll auf” a törölt szó fölé írva.]
ärndten, offen. Sie haben keine Vorstellung davon, daß ein Dichter, oder Büchermacher für seine eigene Freude arbeitet, wenn ihm der Beyfall der Guten gleich sehr lieb ist.
Dieser ziemlich plumpe Uberfall
*[Helyesen: „Überfall”.]
des Verseghy (denn Sie, mein Herr Graf, werden wohl wissen, daß er der Ehrenmann ist,
*daß der Ehrenmann <der> ist, der [Az „er” a sor fölé írva.]
der jenen berühmten Aufsatz a’ Recensiókról im VI. B[and] des Tud. Gyüjt. 1818. der Redaction
mit seiner Hand geschrieben eingesendet hat, wenn der Aufsatz auch vielleicht durch mehrere Männer gearbeitet oder
*gearbeitet <se> oder
doch aus ihren Notaten zusammengesetzt worden seyn sollte) – dieser Überfall, sage ich, hat mir zur Pflicht gemacht, mich noch einmal zu fragen, ob sie, ob ich Recht haben, hogy a’ mit írunk, könnyen-érthetőnek kell lenni. Ich glaube,
verständlich ist alles, was ein Graf Johann Mailáth versteht, wenn es auch Füredi Vida unverständlich schilt; und ich fragte mich, ob Thucydides’s Schüler, Sallust, zu tadeln sey, weil er nicht so schrieb, wie Cicero oder Livius. Dieses veranlaßte mich, meine Übersetzung des Sallust, die ich seit sechs Jahren nicht in Händen hatte, durchzusehen. Kaum flog ich zwey Bogen durch, so ergriff ich die Feder, und übersetzte diesen meinen Liebling von neuem, und als ich die letzte Zeile des Jugurtha niederschrieb, und meine diesjährige
*meine <dies> diesjährige
Übersetzung las, nahm ich vor, sie wieder umzuarbeiten. Bey einem Schriftsteller, wie Sallust, ist es nicht genug, den Sinn wiederzugeben; das ist eine leichte Arbeit, und Messieurs les François thun darob so stolz; – Sallusts Übersetzer muß mir nicht Catilinas Verschwörung, nicht den Krieg mit Jugurtha geben, sondern den grossen Künstler und Sprachkundigen Sallust, in seiner wahren Eigenheit.Der Franzos übersetzt wie der Mahler, der den Vaticanischen Apoll auf Tuch hinüberbringen wollte, und weil er nicht für Griechen, sondern für Neueuropäer mahlt, dem armen Gott Hosen und statt des Bogens eine Flinte gäbe. Aber unter der Menge von Europäern gibt es auch einige, die griechisches Aug haben, und den nicht armen Gott im griechischen Costum lieber sehn. Und was ist die Pflicht des Übersetzers, der darum arbeitet, daß seine Sprache das werde, was die römische durch Sallust ward? – Mich bringen sie durch ihr Geschrey nicht zum Verstummen, wie meinen Kölcsey. Es ist Pflicht, daß ich mich ihren Pfeilen aussetze. Tanto audentior ibo. Wäre ich nur jünger! und lägen mir meine vielen Kinder nicht am Herzen! Denken Sie an mich, lieber Graf, sogar
diese werden wegen ihren Vater leiden. Dieser hat ja das Palladium der Nation, ihre Sprache, angegriffen, dieser hat ja aus dem Magyar einen Német és Franczia machen wollen – doch wo Pflicht gebeut, hören alle Rücksichten auf, und lassen die Götter mich einige Jahre noch leben, so sollen Füredi Vida et Compp[anie] noch einige Bände römischer und griechischer Filagoria erhalten.
Ich bin ungeduldig Hormayrs Histor[isches] Taschenbuch bald zu sehen, und werde es im Voraus bestellen. Ich kenne die Wärme Ihres Pinsels, verehrter Graf, und freue mich, daß Ráday in Ihnen seinen Biographen gefunden hat.
Die Unterschrift Ihres verewigten Vaters, des Ministers, hat meine Sammlung schon. Unterdessen danke ich Ihnen für die Frage und die Geneigtheit, mich auch damit zu bereichern, gerührt.
In den Blättern des Magyar Kurir erschien ein Gedicht des Grafen Jos[eph] Dezsőffy an mich. Nicht der Graf, nicht ich habe es dem Zeitungsschreiber zugeschickt; er erhielt es von einer Freunden Hand aus Pest. Es ist wirklich ein sehr gut gerathenes artiges, und dabey kraftvolles Gedicht. Verseghy bedient sich wider mich unter andern der niederträchtigen Waffen, daß er mir vorwirft, ich preise mich selbst, und ich erzähle es kivált a’ Németeknél (sagt einer seiner Freunde), hogy magam vagyok az eggy Classicus Író a’ Magyarok köztt. Wahr, oder nicht, das ist alles eins; der Fleck bleibt, wenn der Wurf von der Aegide der Wahrheit auch zurückprellt. Einer von diesem Ultradanubianen Anhang schrieb mir einst grade zu, ich hätte mich wegen den Tövisek és Virágok vor den Deutschen nicht so hoch ausstreichen sollen; als wenn ich der Recensent dieser ungr[ischen] Xenien in den Annalen gewesen wäre. Beschämt stand eben dieser Herr auch damals, als er geglaubt hat, daß der Name Kölcsey Ferencz unter der Vorrede zur Antimondolat ein durch mich angenommener Name gewesen ist. Ich bin mit dem Mann, der die Hefte des Tud[ományos] Gyüjt[emény] in deutschen Blättern zu recensiren pflegt, so sehr in keiner Verbindung, daß ich nicht einmal dem
*[Helyesen: „den”.]
Namen von ihm kenne, und er hat von mir nie eine
geschriebene Zeile gelesen: aber das wäre denen Herren, die den unglückl[ichen] Aufsatz über Recensionen gearbeitet haben, umsonst gesagt, und wahrlich mich mit ihnen zum Spektakel zu geben, dazu bin ich etwas stolz. Ohnehin sind sie im letzten Heft durch einen Unbekannten, Jolsvai Bandi, scharf genug gezüchtiget worden.
Vor ein paar Tagen erhielt ich meine Ungr[ischen] Miscellen zurück, und ich las heute einige Aufsätze darin. – Den V[er]f[asser] des Aufsatzes: Von, aber für Nicht-Ungarn möchte ich zusammen küssen; so auch denjenigen, der 2ten Lieferung S. 59. den ungarischen Bauer geschrieben hat. – Mein Freund H[er]r v[on] Berzeviczy tritt aus seiner Ruhe sehr oft heraus, er will das Forschen, nicht das Disputiren. Mir scheint, er ist sich nicht getreu. Und ist denn das, daß er 8 Jahre bey der Statthalterey gedient hat, und daß er als Concipist dort gedient hat, etwas Bittres? So war es bey mir wahrlich nicht gemeint; ich wußte ja, daß er der einzige Sohn, das einzige Kind seiner sehr alten, sehr gebrechlichen, sich nach seinem Besitze sehr lange schon sehnenden Mutter war. Und das, was er eben dort von der josephin[ischen] Regierung sagt! Lieber, Theurer Graf, ich würde das nicht gesagt haben, und wenn ich dadurch ein Kreutz mir hätte erwerben können. (Und ich bin doch der Mensch, der, wäre er auf seiner Laufbahn geblieben, alles angewandet hätte, um St. Steph[ans] Kreutz zu erhalten, weil ich dafür halte, daß diese décoration den wirklich verdienten ziert.) Wie viele haben in der josephinischen Epoche gedient, und waren befördert. Wenn jemand befördert zu werden verdient hat, so hat es Berzeviczy seinen Kenntnissen, und seinem Herzensadel nach, gewiß verdient. Aber ich wünsche, daß anstatt Männern von seinen Gesinnungen stets solche befördert werden mögen, wie die V[er]f[asser] der von mir eben gerühmten Aufsätze sind. Dies würde dem Monarchen auf dem Thron, und dem Bauer an seinem Heerde, wie dem reichen oder armen Edelmann gut thun, und das Vaterland, das theure, beglücken. Der Gelehrte, der Cosmopolit ist, und Nationalismus haßt, weil das etwas Einseitiges ist, ist Feind des Monarchen, des Edelmanns, und des Bauers. – Ich will die Ungr[ischen] Miscellen meinen Landsleuten in dem Tud. Gyüjt. anempfehlen. Der dieses Werk aus dem Archiv herausgab, ist ein wahrer Wohlthäter des Vaterlandes, des theuren. – Wäre es auch unserm Berzeviczy theuer! Ihm ist es gewiß nicht das theure.
Leben Sie wohl, innigst verehrter Graf, und reisen Sie glücklich in das arme, aber schöne Land der Siebenbürger. In Baron Joh[ann] Jósika, in Cserei Miklós und Mihály, im Gubernialrath Kenderesy, in dem Ober Notar des Albenser Comitat Kis Jósef, werden Sie Männer finden. – Kommen Sie glücklich wieder. Unterdessen finden Sie eine kleine Schrift, welche Sie mit den Regeln unserer Prosodie bekannt machen kann.
Kazinczy Ferencz.