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Kazinczy Ferenc – Rumy Károly Györgynek
Széphalom, 1810. május 30.
Széphalom, den 30 May 1810.

Theurester Freund!
Sie stellen sich wohl vor, wie es mir seyn mußte, als ich den April-Heft der Wiener Annalen erhielt und meine Biographie darin fand! Hätte ich muthmassen können, daß Sie mich dem Schau des Publ[icums]*
Publ[icums] <lebe>
bey meinem Leben noch darstellen wollen; wahrlich ich würde Ihre Hand zurückgehalten haben. Ich bin kein Feind von Publicitæt, und nicht so griesgrämig, daß ich mich von den Blicken der Zuseher zu sehr scheuen sollte; auch würde ich mein Haus, wenn ich eins zu bauen hätte, wie der edle Römer, bauen, daß einem jeden frey stehe, hinein zu schauen: aber eine Biographie bey den Lebzeiten des Beschriebenen ist mir doch zu jeder Zeit so auffallend gewesen, daß ich mein dunkles Gefühl von Widerwillen nie darüber ersticken konnte. Nun ist es geschehen; mir bleibt nichts als Ihnen dieses frey zu bekennen, aber auch ohne Ziererey beyzusetzen, daß mich dieses, da es von Ihnen kommt, ganz und gar nicht kränkt, und daß ich Sie wie immer bisher und immer ferner herzlichst liebe. Bin ich einst todt, da sagen Sie von mir alles was Sie wollen und sagen können. Dann wird es Ihnen frey stehen, auch das zu sagen, was Sie nicht einmal von fernher berühren dürften.
Mein Schwiegervater wird nicht lange mehr leben. – Den 27sten May beehrte er mich mit einem Zutrauen, welches der klarste Beweis seiner Achtung und Liebe zur Sophie und zu mir ist. Die Adresse mit seiner zitternden Hand: à ma chére fille Sophie et son digne époux Kazinczy wird mir noch oft Thrænen entlocken, und mir so viel werth seyn, wie Herr Stricsák (Sie verstehen mich) seine décoration. Was dieser Auftrag enthalte darf ich Ihnen jetzt noch nicht sagen: aber so bald [!] er todt ist, sollen Sie es wissen. Auch habe ich seine chémischen Geheimniße in Hænden. – Ich war gestern bey seinem Bette. Er schlief fast den ganzen Tag, und ist an physischen Organen fast ganz ohne Leben, doch so, daß er noch aufstehen kann. Die Welt ist ihm ganz todt. Ein Arzt und ein Priester haben oft Gelegenheit Sterbende zu sehen. Ausser Cajetan Rogendorf und meinem Schw[ieger]vater habe ich lange schon keinen Sterbenden von Jahren gesehen. Tod ist Entschlafen. Aber auch Scheiden!!! Wäre dieses nicht, was könnte es kosten den Schritt zu thun! Man entschlaft [!],*
entschlaft, <aber>
und man weiß nicht daß man hier war. Was folgen soll, das lehrt der Glaube: – mir wenigstens sagt über diesen Punct Philosophie nichts. Ich behaupte darüber nichts, ich läugne auch nichts. Möglich: aber wer entziffert alles das, was möglich ist!
Ob Matthias Franz Ihnen meinen Pack schon übergeben hat? Wenn Sie wüßten, wie mich das quält! Ich bitte Sie, es mir sogleich zu sagen, wenn Sie es erhalten werden. Im Junii ist wieder Markt in Ujhely. Da forsche ich selber nach. Ihre Hefte habe ich noch nicht einmal angerührt. Seit einer Zeit bin ich mit den unangenehmsten Geschæfte so überhäuft, daß ich kaum ein Buch in die Hand nehmen konnte. – Leben Sie wohl, theuerster, gütigster Freund!