Copia supplicis libelli sub A. provocati.
Euer Majestät!
Unterbezeichneter bittet unterthänigst um die allerhöchste Gnade, die Acten der hungarischen Statthalterey in Betref seines Buches: Millót a’ Világnak közönséges Történetei, Első Kötet genauer untersuchen, und den von der hungarischen Hof-Kanzley ddo 11ten Februar dieses Jahres ergangenenVerbot des nehmlichen Buches aufheben, und solchergestalt die gekränkte Ehre eines der getreuesten, und doch unverdient-verfolgten Unterthans retten zu geruhen, aus folgenden Gründen.
1tens) Weil dieses Buch. nebst dem, daß er der Kayserl. Königl. Wiener Censur, die in den obgenannten Acten in Originali zu sehen ist, wirklich unterworfen, von Ihr deßelben Druck zugelaßen, und sohin nach dem gesetzmäßlichen Weg gedruckt worden ist; so wenig enthält, was den Absichten und Grundsätzen unserer politischen Regierung nachtheilig seyn könnte, daß es vielmehr ganz für die Monarchie, und für die damals öffentlich bekannten und angenommenen Grundsätze der glorreichesten Regierung des durchlauchtigsten Haußes Oesterreich aus allen Kräften streitet.
2tens) Was die Zweifel anbelangt, welche in diesem Buche wider die christlich-katholische Religion aufgeworfen und unaufgelöst gelassen seyn sollen;
a) Diese tasten keineswegs die Wahrheit der christlich-katholischen Religion an; indeme sie eigentlich zur Auseinandersetzung mancher chronologischen Meynungen, oder manches hermeneutischen Sinnes einiger in den heiligen Büchern befindlichen Thaten, und also blos zur chronologisch-historischen Kenntniß der Alterthümer gehören, welche selbst in der Schul-Theologie disentirt werden, und folglich der Befahrheit der christlich-katholischen Religion nie nachtheilig werden können.
b) Wenn diese Zweifel durch manche Leser mit gesuchter Verdrähung selbst auch auf die Wahrheit der christlich-katholischen Religion ausgedeutet werden könnten, so wäre der Verfaßer nur dazumal zu beschuldigen, wenn er diese Zweifel als unauflöslich angegeben, oder dem Leser den Weeg zur Auflösung derselben verhellet hätte. Da über der Verfaßer den Leser zur Theologie und nur aus der Ursache anweiset, weil er keine theologische oder polemische Contorversien, sondern die Geschichte der ältesten Nationen zu schreiben unternam, und öffentlich versprochen hat, so bleibt es unbegreiflich, wie man den Herausgeber so was zur Last legen könne.
c) Wenn dem Verfaßer die Zurückweisung solcher Zweifel an die Theologie, welche sie auflösen soll und kan [!], zur Last gelegt werden könnte, so muste man daraus folgern: daß eine Geschichte ohne kritischen Controversien zu schreiben nicht erlaubt seyn; welche Schreibart doch selbst dem Staate ein so gefährlich werden kann, als die kritsche Auseinandersetzung der Geschichte.
3tens) Weil die Anklage dieses Buches aus keiner andern Absicht geschehen zu seyn scheinet, als damit das Glück des Bittstellers, der um das Ofner Bücher-Revisorat sub do 17. August. 1792. unterthänigst bat, durch öffentliche Beschimpfung seines dem Buche nachgedruckten Namens verhindert werde. Indem
Erstens dieses Buch durch ganzen zwey Jahre öffentlich bekannt, und dem Kaufe ausgesetzt war, ohne daß man es bis zur Einweichung der Bittschrift um das Ofner Bücher-Revisorat, angeklagt, oder auch nur für unzuläßig gehalten hätte.
Zweitens; Weil der zweite Theil des nehmlichen Buches, selbst durch des Ofner Bücher-Revisorat censurirt und approbirt worden ist, ohne daß der erste Theil von dem nehmlichen Amt bis itz, da der Bittsteller sein Glück suchte, angegeben worden wäre. Welches aus den Acten der hungarischen Statthalterey weitläufiges zu sehen ist.
4tens Wenn man dieses Buch ohne aller Partheiligkeit beurtheilen will, so ist es unglaublich, daß der Verbot deßselben durch den Pater Rhiethaller, als Adjunct des Ofner Bücher-Revisorats auf eine andere Art hätte bewirkt werden können, als mittelst einer Verstümelung, oder gewaltthätiger Verdrähung, und folglich mittels einer schiefen Angabe der aus dem Context des Buches herausgezogenen Sätze; wie dieses aus der hier unterm
A. unterthänigst angeschloßener Beylage ziemlichermaßen erhellett. Ein dießfälliger Mißbrauch einer anvertrauten Gewalt kann einem zur getreuen Verwaltung seines Amtes durch Eyd verpflichteten Mann so wenig nachgesehen werden, daß vielmehr zur gerechten Beurtheilung der Sache des Bittstellers eine genauere Confrontation
*Confronta[…] [Átírással javítva.]
seiner Anklage mit dem Buche, und mit den Antworten des Bittstellers höchst nothwendig ist.
Dies zu seiner Rechtfertigung vorausgelaßen, untertfängt sich unterzeichneter um die Stelle des Ofner Bücher-Revisorats allerdemüthigst zu bitten, aus folgenden Beweggründen.
1tens Weil der Bittsteller durch diese Anstellung aus dem Pensions-Stand in einen würkenden übertretten könnte.
2tens Weil er alsogleich nach der Aufhebung des Pauliner-Ordens beym Genuß seiner Pension in Klein-Maria-Zell die Dienste eines Garnison-Caplans durch Anderthalb Jahre, dann im Semliner Lager in Hauptquartier die Dienste des Secretairs und Socii beym Feld-Superior der Haupt-Armée bis zu seiner erfolgte Krankheit geleistet, und endlich selbst in seiner Krankheit sich als Practicanten des Ofner Bücher-Revisorats bey seiner Pension durch eine der hungarischen Staathalterey eingereichte Bittschrift angetragen hat.
3tens Weil er durch die Schwachheit des Körpers, welche von der in Kays. Königl. Militair- Diensten, wie es aus den in Acten befindlichen Attestat des damaligen Feld-Superiors erhellet, sich zugezogener Krankheit ein Ueberbleibsel ist, zur Seelsorge, oder zum Schuldienst unfähig geworden, und folglich zur Last des öffentlichen Fondes seyn muß; wenn er seinen Gehalt durch Verwaltung eines ruhigen, und in Sitzen bestehenden Amtes nicht Verdienen kann.
4tens) Nebst den Verdiensten, die der Bittsteller sich in der Seelsorge beim Militair erworben hat, war er bemüht, selbst in seiner Krankheit durch die hungarische Litteratur dem Publicum, so viel als möglich war, zu dienen, indem er nebst Millots für die Monarchische Regierung sowohl gründlich als einnehmend streitende Allgemeine Weltgeschichte, mehrere Werke in der hungarischen Sprache herausgegeben hat, unter welchen die merkwürdigeren sind:
1.) Die leichteste Art die gemeinen sowohl, als Seuchen-artigen Krankheiten der häuslichen Thiere zu kurieren, unter dem Titel: Patikai Lukáts, aus den Deutschen des Erdman Hilfsreichs. 2.) Die Grotte Antiparos, ein Gespräch von der Gefahr der Lesung Verführerischer Schriften. 3.) Ein didactisches Gedicht in Hexametern von der Schöpfung 4.) Abhandlung von der Musick. 5.) Abhandlung von der Poesie. 6.) Prometheus aus dem griechischen des Aeschylus, und mehrere dramatische Stücke. 7.) Proludium in Institutiones linguæ Hungaricæ, oder die Einleitung in die hungarische Sprache, nach Adelungs System bearbeitet.
5tens. Was die Fähigkeiten des Bittstellers anbelangt:
Erstens hat er die zur Verwaltung dieses Amtes nöthige Kenntniß der italiänischen, französischen, schlawischen, und aus den gelehrten der griechischen und hebräischen Sprache; in welchen er sich, sobald sein Amt es heischen sollte, in weniger Zeit auch Vervollkommene kann.
Zweitens. Nebst dem, daß er die lateinische und die Deutsche gleich inne hat, spricht er nicht nur die gemeinen, sodern auch die in dem Ofner Censor zur Beurtheilung der hungarischen Bücher äußerst nothwendige hungarische Schriftsprache.
Drittens. Er hat auch von der Königlichen Pester Universität den philosophische Doctorats-Grad, und wie es aus seinen Schriften erhellett, die zur Beurtheilung der Bücher, selbst bey der Amts-Instruction so nöthige Bücherkenntniß und Gelehrsamkeit.
Er bittet zugleich unterthänigst, geruhen Eure Majestät aus allerhöchster Gnade zu genehmigen, daß er zur Herstellung seiner durch ganz Ungarn äußerst gekränkten Ehre, die wider die Schmähschrift des Pater Alexovics verfertigte, und der hungarischen Statthaltereÿ eingerichte Apologie in der lateinischen und hungarischen Sprache drucken laßen dürfe. Der in tiefster Erniedrigung geharret.
Eurer Majestät
Wien den 4ten März 1793
allerunterthänigst-gehorsamster
Franz Eugen Versegi
Priester des augehobenen
Pauliner-Ordens.
A.
Die vom P. Rhiethaler verdäthe, oder verstümmelt angeführte Stellen aus dem Buch: A’ világnak közönséges Történetei, írta Millót. Első Kötet.
1tens. Er verstümmelt die Stelle Seite 184, wo der Verfaßer ausdrücklich sagt: daß die alte Kronicken der ungeheueren Zeitrechnungen mit Fabeln angefüllet seyn.
2tens.Er läßt den Verfaßer sagen: daß man diese Kronicken nicht außer Acht setzen kann, wo doch der Verfaßer nur behauptet: daß man in der Geschichtskunde diese obwohlen nicht ganz glaubwürdige Kronicken nicht beseitigen darf. Seite 184.
3tens Er verstümmelt die Stelle Seite 204. Die Rede ist vom Ursprunge der Hebræer, wovon die Nachrichten des Josephi Flavii aus Manethons Schriften, und des Diodoru Siculi mit den Nachrichten Moysis nicht übereinstimmen. Der Verfaßer schließt diese Betrachtung mit folgenden Ausdrücken.
„Die Pflicht des Geschichtschreibers ist, solche Nachrichten, obwohlen sie mit jenen der heiligen Bücher nicht allenthalb übereinstimmen, vorzutragen: aber der bloße Geschichtschreiber oder deren Liebhaber, wenn er nicht zugleich ein Theolog, oder ein Mann ist, der im Glauben eine Fertigkeit und Bereitwilligkeit hat, kann im Betref dieser Nachrichten eine überzeugende und genügsam Zurechtweisung weder geben, noch annehmen. Weswegen es ich auch, als eine zu der Theologie gehörige Streitigkeit, ganz gern andere überlaße.”
Woraus ganz klar erhellet: daß der Verfaßer weder die Nachrichten Moysis zuverläßig angiebt; sondern daß er sich allenfalls in den Schranken eines Geschichtschreibers halten will; welches nur jenem Schriftsteller zu verargen wäre, der sich eine pragmatische Geschichte zu schreiben Vorgenommen hätte.
4tens Er bestreitet auch die dritte Betrachtung Seite 205. bis 215. wo der Verfaßer aus dem Beyspiele der aegyptischen Priester, sie ihre Könige theils ermordeten, theils verjagten, und die Königswürde ganz an sich gezogen hatten, ausführlich bezeugt: daß aus dem damals unschuldigen Vorgeben der ersten Gesetzgeber: daß ihre Gesetze von ihren Götternherstammen, die ganze Gesetzgebung, und die Macht, dieselben zu verwalten und auszudeuten, ja selbst die Könige abzusetzen, oder zu mißhandeln, in die Hände der damaligen Priesterschaft Verfallen sey.
Diese für die allgemeine Sicherheit unserer Souveraine und aller politischen Regierungen so wohlgesinnte Betrachtung des Verfaßers kann von niemanden getadelt werden, als der die Lobeserhebungen Gregors der VII. die im Brewier gelesen werden, und die Mord-Moral der Probabilisten, als katholische Wahrheiten gebilligt haben will.
5tens. Er deutet die Wörter des Verfaßers Seite 218. die eigenen Bücher der Hebræer, auf das alte Testament aus; wo doch der Talmud, und andere vom Buxtorfi Synagoga Judaica angeführte und ihre Religion auseinandersetzende Bücher zu verstehen sind.
6tens. Die fünfte Betrachtung Seite 219. kann Er etwa nur darum tadeln: weil er sie nicht im ganzen Zusammenhange nimt. Sie bestehet blos aus der metaphysischen Frage: ob die Idee Gottes eingeprägt oder erworben sey? und wenn sie eine erworbene Idee ist, durch welche Stufen sie von den wilden Nationen erworben worden sey?
7tens Daß manche Coeremonien der christlichen Religion aus der alten Mysterien herstammen, behauptet der Verfaßer nicht; sondern er führet es nur Seite 240. 241. 242. als eine fremde Meynung mancher Gelehrten an, worunter auch Fleury zu zählen ist. Doch gestehet ja dieses selbst die katholische Kirche in ihren Brevier vom Fest der Lichtmeße, und aller heiligen den 2. Februar und den 1ten November.
8tens Daß die wilden Nationen ihre Wohlthäter (Seite 243.) erstens, als durch ihre Götter aus Jungfrauen gezeugte Männer, und folglich als Gottes Söhne, dann aber als Halbgötter und würkliche Götter verehret haben, ist keineswegs Voltaires ursprüngliche Behauptung. Mann findet sie in Kempfers Amoenitatibus exoticis, und selbst in Vierthaler, Philosophische Geschichte der Menschen und Völcker, welches Werck durch das erzbischöfliche Salzburger Consistorium ddo 19. Januar 1787. genehmiget worden ist.
9tens. Er verdrähet die sechste Betrachtung Seite 245. ganz. Denn der Verfaßer sagt S. 247. ausdrücklich: daß der dummeste Katholick die hölzerne Taube nicht für den heiligen Geist selbst haltet; woraus er dann folgert: daß man auch die alten Nationen, aus Liebe zur Menschheit, nicht für materiele Götzendiener halten sollte.
10tens. Er verdrähet auch die achte Betrachtung vom Ursprung der Chineser, wo doch der Verfaßer S. 270. ausdrücklich sagt: daß ihm das Sicherste zu seyn scheine, in den Chinesern weder alles zu loben, noch alles zu tadeln.
11tens. Was er wieder die neunte Betrachtung S. 276. anführt, ist auch augenscheinliche Verdrähung; indeme der Verfaßer die schändliche Vermischungen der babylonische Weiber nicht nur aus dem Tempel in die Sacristei – nach der Meynung der dort angeführten Kehlischen Herausgeber des Voltaires – nicht versetzt; sondern diese Erzählung, als eine der unwahrscheinlichsten Fabeln S. 279. 280. ganz verwirft. – So erhellett auch aus dem Context S. 279. daß Unterscheidung eines geweihten, und zu einen Gott erhöhten aegyptischen Zwiebels nichts weniger, als satyrisch sey.
12tens. Da Er die in America ausgeübte, und nicht nur vom Benzonio, sondern auch von den Bischof De las Casas amtswegen beschriebene Grausamkeiten der Spanier im Buche des Verfaßers nicht angeführter haben will, so scheinet er von der Erneuerung derselben, oder ähnlicher Verfolgungen nicht abgeneigt zu seyn.