Du bist hald
*hald <recht>
braw, und unterhaltest mich mit deinem Schreiben recht angenehm; ich Küße dir die Hände dafür, besonders deine Fingerl, die die Feder regierten. Daß du ausgefahren bist, hast du recht gethan, und ich rathe Dirs, daß du ferner auch Unterhaltungen suchen sollst: ganze Monate solltest du außer Pest zubringend, denn dieses ist für uns alle Beede die beste Medicin: Jezt kommt ohneden der Sommer: trachte, daß du entweder auf Lörintz-Kata, oder zum Majténi auf etliche Wochen, oder Monate hinaus kömmst. Dieses rathe ich dir aus 2. Ursachen: Erstens, weil du mich sehr in Schröcken, und Betrübniß gebraucht hast durch dieses, daß du sogleich in die Melancholie fallest, wenn du allein bist. Mein alles! ich bitte dich um alles, gebe acht auf meine Gesundheit: schlage dir alles aus, und fliehe die Einsamkeit; wenn dir etwann etwas Uebels begegnete, glaube mir, ich bin der Todes. Wenn du mein Schatz! Dir zu Lieb nicht willst Sachen ausschlagen, schlage alle betrübte Gedanken mir zu lieb aus; denn meine Kräften, und Gesundheit nehmen augenscheinlich ab. Wenn ich höre, oder sehe, daß du betrübt, oder unpas bist. Zweÿtens rathe ich es Dir, daß du hinaus fahrest, und in paar Wochen wiederum hinein. Wiederum hinaus, und wiederum auf Pest, daß die Spitzbuben dich nicht unter ihren Augen haben.
Du schreibest auch, daß du jezt nicht hinüber willst auf Ofen, damit daß unsern Feinde nicht sagen, daß du fort hast müssen. Ich gehe zwar in alles ein, was du für gut befindest, sage aber, daß sie dieses nicht sagen können, weil du nur auf Ofen ziehen thättest: Ein jeder Mensch weiß, daß ein Person, welche von Pest wegziehen müsset, sich zugleich weiter zu begeben genöthiget wäre, alt Ofen: denn die zweÿ Städte sind ja, was solche Person anbelangt, eins. Du weist mich wohl verstehen. In übrigen – ahnde ich es, ich weiß nicht, wie? daß du in Pest Verfolgungen, und Nekkereÿen haben wirst, welche Dir entweder beständigen Unruhe, Gemüths-Krankheiten, und auch Gesundheits-Abzährungen, oder gar die Pesterische Wohnung unerträglich, und unmöglich machen werden: Ich kenne die Spitzbuben viel besser, als du es dir
*dir <vorstellest>
vorstellen kannst: ich versichere dich, dein jeder Schritt, dein jedes Thun, und lassen wird Uebel von Ihnen ausgelegt, und Sie werden Verlaumdungen finden. Welche sie einmals zwar probieren, doch Welt-kündig machen werden, bis du nicht wiedergedrückt, und überall noch beÿ deinen Freunden, und besonders beÿ Obrigkeit verschmähet wirst. Sie sollen reden, mein Herz! sie sollen sagen, daß du von Pest fortziehen hast müssen, dieses wird deiner Ehre, und Ruhe niemals so nachtheilig seÿn, als die Verleumdungen, welche sie einspinnen werden, wenn du zu Pest bleibst. Höre mich an, aber ruhig: Wenn du zu Pest bleibst, so werden deine Feinde, deine jeden Schritt, wie ich gesagt hab, übel
*übel <aufnehmen>
auslegen, und sie werden überall glauben finden, wie bis dato, denn ein jeder wird meinen, daß sie dich alltäglich sehen, und dein Thun, und Lassen richtig beurtheilen können. Wenn du aber auf Ofen ziehest, so können sie nach Deiner weder böses, weder gutes sagen: und wenn sie die etwann verleumden möchten, so werden die Ofner die allezeit mein gute Zeugniß geben, als nicht interessirte Leute, und diese, weil sie dein Thun, und Lassen volltäglich sehen, werden mehr glauben jederzeit finden, als die Pesterischen Verläumder. Alles dieses sage ich nicht darum, als wenn ich dich zwingen wollte, denn du weißt, daß ich deine Ruhe, und Ehre suche; ich sage dir nur meine Meÿnung, und die Ursache, die mich dazu bezwingen: überlege alles, nicht nur einmal, sondern mehrmal, und erwähle das Beste, und ich werde zufrieden seÿn. Seÿe nicht böß, mein schönstes Tinedel! Du weißt, daß ich es mit Dir aufrichtig meÿne. Was deinen rechtschaffenen Beicht-Vater, und zugleich deinen Verläumder anbelangt, da hast du recht, daß du deine Ehre suchest; du mußt aber in der Sache behutsam seÿn, und diesen Umstand, daß er dein Beicht Vater war, nicht
*nicht <vergessen>
auslassen. Wenn du einen Brawen man, besonders einen geistlichen finden könntest, der Dir in diesen Fall einen guten Rath geben, und besonders deine Briefe schreiben könnte, so wäre es sehr gut; Einem jeden vetraue dich doch nicht; ich werde auch alles thun, was ich kann, nur Geduld! Der Primas hat mir nichts gesagt,
*gesagt, <daß er Comission habe,>
und auch der Vicari nichts. Was mein Person anbelangt; in der Stück ist der Pfarrer ein Lugner. Was Dich anbelangt, hat mir der Vicari gesagt, daß er Commission habe, Dich, wenn du schuldig befunden wirst, in ein Kloster zu geben, dieses habe ich Dir zu sagen vergessen; es war aber auch nichts der Mühewerth, dieses Dir zu sagen; dann dieß sind lauter Pfafische Taxereÿen: Die arme Narren! Was haben sie denn ausrichten können mit der Carolina, mit der Suzanna, mit der Eleonora? Die Ehre benehmen, mukken, verleumden, und verfolgen können sie, und sonst nichts; und dann
der Joseph lebt. Ich lese in der ungrischen Zeitung, daß ein Klosterfrau unlängst den 28ten Märtz mit ihren Kind, welches sie vom Kaiserlichen Leib-Lokaÿ empfangen hat, Zum Kaiser gegangen ist, um wegen der Pension zu bitten. Der Kaiser sah den kleinen Buben an, lachte und sagte: Es wäre Schade gewesen, wenn diese brawe Bursch nicht auf die Welt gekommen wäre. Er ließ ihr die Pension, und nebst dem gab er ihr die Erlaubniß ihren Vertrauten zu heÿrathen. Die dumme Geistlichkeit meÿnet halt bisdato, daß die Exclarisserinen würkliche Klosterfrauen sind, und die gutdenkende Welt gehet es schon ein, daß sie ihre Gelübde zu halten nicht mehr schuldig sind. Nichts haben sie mit ihnen zu schaffen mehres, als mit einer anderen weltlichen Person; und wenn die Klosterfrau 1000 Kinder auf die Welt bringt, so haben sie keine mahl sie einzusperren.
Ich bitte Dich, mein Engel! beruhige Dich, und trachte nur mit guter Art von ihnen loszuwerden: Sie können Dir nichts thun, und wenn du auch, weiß Gott! Wie schlim wäreste so können sie nichst anders, als drohen, verleumden. Wenn du auch etwann bis Micheli zu Pest bleiben wolltest, so bitte ich dich, daß Du unter dieser Zeit wenig in Pest dich aufhalten sollst: glaube mir, du wirst keinen Augenblick eine Ruhe genießen. Was mich anbelangt, ich werde bald hinauf reisen, und wenn es möglich ist, gleich in W[ien] verbleiben; und wenn dieses nicht geschieht, so werde ich mich doch in Pest wenig aufhalten, und bis Anfang Augusti komme ich gewiß nach W[ien] um dort zu verbleiben. Was dich anbelangt so wird meine einzige Melancholie seÿn, daß du noch bisdato in Klauen den Spitzbuben bist, und daß ich deine Gegenwart, O! die Gegenwart, von welcher meine Gesundheit und mein Leben abhängt, nicht genießen kann. Im übrigen seÿe versichert, daß ich dich nicht verlasse, dann ich liebe dich, wie vorhero, und noch mehr, dann deine Standhaftigkeit zu mir ist mir über alles. Zu mir habe ich dich ganz begierig erwartet, und ich wäre selbst von hier zu dir hinaußgeflogen, aber ich fürchtete, daß du nicht etwann
*nicht |etwann| [Betoldás a sor fölött.]
eben damals auf meine andere Weg zu mir kommst, und wir einer der andern suchen.
Was deine Liebe anbelangt, von dieser bin ich versichert, daß sie zu mir beständig, aufbleiben wird, denn ich weiß! Daß ich von dir, mein Trudschedl! keiner Haß verdienen. Du
*Du <mach>
magst machen, was du willst, du bist mein, und ich bin dein, und ich lasse dich nicht bis in Ewigkeit. Entfernen kann mich von dir das Schicksal auf eine Zeit, aber ich hofe, daß unser Zusammenkunft nachdem desto süßer wird. Ich darf nicht in das künftigen Jahr
*Jahr <demken>
hinein denken. Durch welches, wie du mir geschrieben hast, unsere Personen, nicht aber unsere Herzen getrennt, seÿn sollen. Unmöglich! ach! mein bestes Weibedl! unmöglich wird es mir seÿn, so lang in einem fremden Ort ohne Deiner zu leben. Ja! unmöglich! und sollte ich in End der Welt seÿn, so müßte ich Dich auf wenigste einmal durch dieses Jahr zu sehen bekommen. Doch! ich hofe bessere Aussichten; ich muß nur in W[ien] mit deinem H[errn] Bruder die Sachen abreden, und du wirst wohl nicht auswintern können in deinen Ofen. Wart nur Spitzbiebedl! ich werde dich schon finden. Ich werde dein gutes Herz an meinem noch besser verbinden (ach! mit was, als mit gemeinschaftlichen Wiederwärtigkeiten) und werde dich nach meiner sohinaufziehen, wie das Eisen dem M[a]gnes ziehet; und wenn du nicht kommen willst, so komme ich zu dir, Fratz! und bracke dich hint, und forn rechtschafen ab, bis du nicht sagst, Ja! Ja! ich komme, ich horche schon, mein Liebes manedl! ich gehe, wo du bist.
Seÿ aufgeraumt, mein Schazedl! betrübe dich nicht; die Liebe kann unmöglich ohne Wiederwärtigkeiten ihre Beseelung, ihren Eifer, aufbehalten. Hast etwann vergessen, daß du daß gute Klärchen, und ich der arme Herfort bin. Nein! mein Kind! ich hätte wie ein solches Vergnügen gehabt (und ich weiß, daß auch du so denkst) in unsern Bekannstscahft, wenn wir ungestört geblieben wären. Was wäre aus uns in Pest geworden? - - -
Unsere Feinde hätten uns noch von höheren Gipfel gestürtzet, wenn wir nach unseren Vornehmen dort geblieben wären. Jezt werden wir gescheider seÿn, und das Glück führet uns gerade auf den Gedanken, daß wir uns aus dem verdamten Nest hinaus machen.
Das einzige bitte ich Dich, mein alles! Daß du mir, wenn du einmal einst thun kannst, gewiß noch folgest; und daß du auf dieses mit allen Kräften trachtest, deine Verlassung wäre mein gewisser Tod.
Ich denke noch hier bis Ende Maii zu verbleiben, und erwarte wieder um deinen Brief, daß er mir angenehmere Sachen bringen soll, als der erster, der mich wegen deiner Melancholie besonders betrübte. In Pest werde ich schwerlich eine Woche zubringen, und maschire alsogleich nacher Theben zu meiner Freund. In Pest werde ich schon mit dir etwas mehrers reden, doch schwerlich beÿ dir, dann ich liebe dich, nachdem küsse ich dich viel tausendmal, und ach! - - - die übrigen Gedanken und - - - - traue ich mich nicht daher aufzuschreiben. Alles dieses wollte ich dir viellieber mündlich sagen. Adieu! mein Fratz! Liebe mich, dann in mir ist kein einziger Tropfen Blut, kein einziger Glied, kein einziger Partickel, welcher nicht ganz Dir allein mag gewidmet wäre. Berichte mich bald von meiner [!] Gesundheit.
Der Haudrich grüßet Dich.
A. Mademoiselle
Mademoiselle Christine de Herpi psentl.
a Pest.
[Más kézzel:]
Dieser Brief von Erlau an mich gestehlet P. Versegi
habe aus Muthmassung eigenhändig eröfnet, Pest der 21. Maii.
Stephanus Herpi m. p.
[Más kézzel:]
Collatus cum originali Pestini 20a Augusti 1786. Georg Kurbély Suae Eminentz Secretarius Ecclesiæ mpria.