HUN–REN–DE
Klasszikus Magyar Irodalmi
Textológiai Kutatócsoport

Magyar írók levelezése
Elektronikus kritikai kiadás

HU EN
Johann Friedrich Seivert (Seivert János Frigyes) – Kazinczy Ferencnek
Nagyszeben, 1818. április 3.
Hermannstadt den 3. April 1818.
Hochgeschätzter Freund!

So nenne ich Sie: denn in meinem vorigen Brief schon kündigte ich Ihnen an, dass ich durchaus in die Reihe Ihrer Freunde eintreten wolle, und daher hatten Sie auch gross Unrecht in Ihrem zweyten Schreiben Erlaubniss zu begehren, mich Freund zu nennen. Heute aber habe ich eine Ursache mehr Sie so zu nennen, da ich in gegenwärtigem Brief mich der vollen Rechte der Freundschaft bedienen, d. i. so frey und so offen mit Ihnen sprechen werde, wie der Freund zum Freund spricht. Auch mein natürlicher Charackter bringt es so mit sich, und Sie haben mir Stoff zum Schreiben gegeben.
Also – wie gedacht, so geschehen. Sie durchflogen nur, wie Sie selbst sagten, Siebenbürgen, und daher haben Sie natürlich auch Alles nur in Vogelperspektive gesehen. Diesem allein will ich es zuschreiben, dass manche Ihrer Ansichten so, und nicht anders ausgefallen sind. In dem Eilwagen scheinen dem Auge die Bäume in Bewegung und doch stehen sie fest.
Ich ging, sagen Sie, eine Strecke durch das Land ihres Volkes und alles gleich, und alles ohne Cultur. Hm!! das ist mit grossen Buchstaben viel, sehr viel gesagt, aber Freund! Sie sind der Erste, der das sagt. Stehen diese Ihre Worte auch in dem dem Druck übergebenen Briefen, so mögen Sie zusehen, wie Sie das Gesagte vertheidigen. So viel Fremde bisher durch Siebenbürgen gereiset, aber freylich nicht geflogen sind, haben gerade das Gegentheil ausgesagt. Von mehreren derselben sind Briefe gedruckt, und mir ist leid um Sie, dass diese mit den Ihrigen im Widerspruch stehen. Kein einziger von der Umgebung des Kaysers bei seiner letzthinnigen Reise durch Siebenbürgen, hat so ein Urtheil gefällt. Graf Bombelles soll, wie ich höre, auch Briefe über seine Reise im Gefolge des Kaysers für den Druck schreiben; ich fürchte, seine Ansichten werden von den Ihrigen verschieden seyn. Das Glas, durch das Sie sahen, war gefärbt, wenigstens angeloffen. Aber was war es doch edler Mann! das es färbte? und woher der Hauch, von dem es anlief? Denn glauben Sie mir, selbst der Siebenbürger Unger, ausgenommen etwa den, der Ihrer Bemerkung nach die Sachsen noch nicht für einheimisch in Siebenbürgen hält, wird Ihnen nicht beystimmen. Und – worauf gründet sich doch eigentlich Ihr so allgemein absprechendes Urtheil? Auf einzelne Begegnisse von einzelnen Menschen. – Etliche Bauern auf dem Felde, die Sie aus dem Wagen um den Nahmen des Orts fragten, gaben Ihnen keine Antwort, also – sind alle sächsischen Bauern grob; dann zog sich der Pastor eines Orts als Sie vorbey fuhren von seinem Fenster zurück, also – sind die Sachsen menschenscheu; und jener Einwohner von Szelindek oder Stolzenburg, dessen Zimmer eiserne Gitter und Jaloux hatten, nahm Sie nicht sogleich gastfreundlich bey sich auf, also – sind alle Landsachsen ohne Cultur. Lieber! Bester! In welcher Sprache redeten Sie wohl die Ackersleute an? Vermuthlich in teutscher. Hätten Sie sie walachisch angeredet, so würden Sie die Antwort erhalten haben; denn 100 gegen 1 zu wetten, waren es Wallachen, die teutsch nicht verstunden; denn nicht jeder Sachse nur, sondern auch jeder Walach, dem doch der Sachse an Cultur nicht nachstehen dürfte, hätte Ihnen, wenn Sie in seiner Sprache ihn anredeten, den Ortsnamen gewiss ebenso freundlich genannt, als Sie ihn darum fragten. Und der Pastor, wenn er anders ein Pastor war, woran ich zweifele, da die sächsischen Pfarrwohnungen nicht an der Landstrasse zu stehen pflegen, woher wissen Sie es, dass Menschenscheu ihn vom Fenster zurückzog? konnte nicht eben jemand in sein Zimmer eingetreten seyn, dem er sich zuwandte? konnte nicht ein Hausgenosse von Innen ihm zugeruffen haben? Im schlimmsten Fall war er nicht neugierig zu sehen, wer im Wagen sass, oder geschahe es gar aus Bescheidenheit. Endlich der Mann hinter den Jaloux. Es giebt in Stolzenburg nur drey Häuser mit Jaloux. Das eine bewohnt der Postmeister, der ein Unger ist, aber gut deutsch spricht; das andere ein ehemals vermöglicher, jetzt aber sehr armer Tischler, ein Maynzer von Geburt; das dritte besitzt der Prediger. In welches von diesen drey Häusern Sie nun mögen gerathen seyn, weiss ich nicht. In das des Predigers schwerlich; denn ein Prediger lässt sich doch von einem Bauer unterscheiden und zudem ist der dortige allgemein als ein gastfreundlicher Mann bekannt; obgleich auch er, da er ein Wittwer ist, leicht im Fall seyn konnte, einer Reisegesellschaft von mehreren Personen nicht sogleich etwas zum Imbiss vorsezen zu können. Also war dieser ungastfreundliche Mann, der da sagte: ich habe nichts, sicher entweder der arme düstere Tischler, oder der Postmeister. Allein angenommen, Alles sey so, wie Sie es denken, dieser Mann sey wirklich ein sächsischer Bauer und sogar wohlhabend, aber ein Sauertopf und Filz gewesen, jene Ackersleute seyen Sachsen gewesen, und der Pastor habe menschenscheu sich zurückgezogen, was folgt daraus? Sagen Sie nicht selbst: Bohot minden föld terem. Aber, hätten Sie auch in mehreren Häusern angeredet, und die erwartete Gastfreyheit nicht gefunden, so muss ich Ihnen sagen, dass die Bescheidenheit eines sächsischen Bauers sich nicht entblödet, fremden Gästen, die er für Leute von Distinktion hält, wenn er zufälligerweise nichts Besseres hat, bloss sein trokenes Brod ohne Beytrunk anzutragen. Wie oft habe ich auf meinen Reisen bei Landleuten von der ungrischen Zunge freundlich eingesprochen, und bin, statt dass man mir den Kulács angeboten hätte, mit sehr finstern abweisenden Mienen empfangen worden; nie aber ist mir deswegen eingefallen, einen nachtheiligen Schluss auf alle zu ziehen. Doch das Urtheil des Wiener Weinschenkers vom Pfarrer, das muss wohl gelten! Hätten Sie sich nur nicht dadurch abhalten lassen zum Pfarrer zu gehen, so würden Sie einen andern Mann gefunden haben, zumahlen wenn Sie sich ihm genannt hätten. Er ist der nehmliche, der eine Dissertation gegen mehrere falsch vorgetragene Säze des ehemaligen ungrisch. H. Professors Juris, Winkler in Klausenburg im Druck herausgegeben hat und von ihm nicht widerlegt worden ist.
Alles ohne Kultur sagen Sie. Was nennen Sie Kultur? ich kenne nur eine dreyfache Kultur: die intellectuelle, die sittliche und die äussere Kultur. Nun die zwo ersten meynen Sie sicher nicht; denn um die abzunehmen, muss man näheren Umgang mit den Menschen pflegen; also die äussere Sittenkultur, oder die Urbanität. Aber diese findet man im Durchschnitt bey dem Landvolk keiner Nation, da es sich gewöhnlich durch Rusticität unterscheidet. Deswegen aber können Landleute, wenn nicht eben intellectuelle, doch viele sittliche Kultur haben, und diese ist es, die dem Menschen vorzüglich Werth ertheilt; wenn auch das Aeussere mindere Politur hat, oder gar rauh und eckicht ist, und durch keine besondere Hospitalität sich empfiehlt. – Wenn übrigens der Bewohner Ihres flachen Landes vom 1. Jänner bis 31. Dezember, wie Sie schreiben, alle Tage sein Waizenbrod mit Fleisch isst, und seinen Wein trinkt, so wohl ihm! und dann wäre auch seine grössere Gastfreundlichkeit erklärbar, indessen kann ein Mensch viele Kultur haben, wenn er auch nicht Speise und Trank bis zur Gastfreyheit jederzeit vollauf hat; und Häuser von Stein und Ziegel gebauet, zeugen doch auch nicht von Unkultur. Allein Sie führen auch Tell’s Landsleute an, die nicht menschenscheu seyen, sondern sich in andern Menschen fühlten. Demnach also mögen Sie wohl statt Kultur überhaupt, eigentlich Humanität gemeynt haben. Nun, was diese anbelanget, so kann ich Ihnen sehr schätzbarer Freund! nur so viel sagen, dass bey den Calamitäten des vorigen höchst stiefmütterlichen Jahres, die auch Siebenbürgen bekanntlich drückend fühlte, doch kein einziger Sachse, auch kein Unterthäniger für Hunger gestorben ist; entweder kamen ihnen gute Anstalten zu Hülfe, oder wurden die Nothleidenden von den vermöglicheren, besonders von den Ortspfarrern unterstützt; dagegen liest man, ohne zu erwähnen, was anderwärts in Siebenbürgen geschehen, mit Schaudern und Wehmuth in öffentlichen Blättern, nahmentlich im Hesperus, März Nr. 13. 1818 pag. 101. dass in dem vergangenen Jahr, im Königreich Ungarn, in den 3 Gespannschaften Kraszna, Szathmár und Mittel-Szolnok wenigstens 12,000 Menschen Hungers gestorben und eben so viele aus ihrer Heimath vertrieben an den Bettelstab gebracht worden seyen.
Wer wird daran zweifeln, dass es in Ungarn so wie viele böse, auch viele gute Grundherrn gebe? Und Lob und Ehre den Guten und Tadel und Schande den Bösen! aber eben so giebt es auch bey jedem Volk gute und schlechte, gebildete und ungebildete Menschen. Jede Nation hat, wie jeder einzelne Mensch ihre Tugenden und Fehler, und eben desswegen ist es eine sehr missliche Sache über den Geist, den Charakter und den Werth oder Unwerth eines Volkes ein bestimmtes Urtheil zu fällen. Vom Einzelnen auf das Allgemeine zu schliessen, verbietet die alte Logik; will man aber ja so ein Urtheil wagen, so erkennet der fremde Forscher ein Volk am richtigsten an dessen Gesezgebung, Verfassung und innerer Einrichtung, dann aus dessen mehr oder minder nüzlichem Einfluss in das Gemeinwohl, so wie auch bei Gelegenheit öffentlicher Verhandlungen, wenn das Volk da, wo Stände Theil an der Staatsverwaltung nehmen, seine Denk- und Sinnesart, seinen Charakter durch seine gewählten Repräsentanten am deutlichsten ausspricht; welches Alles auch den sichersten Maassstab der Kultur liefert. Dies sind die Zeichen zu einer richtigen Diagnose, diese die einzig wahren Gesichtspunkte, aus denen ein Volk zu betrachten ist, und so betrachtet, wird meine Nation gewiss keine Zusammenstellung scheuen. Sie hat sich in diesem entfernten Winkel Europas, getrennt von ihrem Volksstamm, umgeben von verschiedenen, bey ihrer ersten Einwanderung noch sehr rohen Völkern, unter fast beständigen feindlichen Angriffen von Innen so wie von Aussen, von ihren Königen geehrt und geschützt, von ihren einheimischen Fürsten bald geschüzt, bald verfolgt, schon über 600 Jahre, länger als das altrömische Kayserreich gedauert hat, aus eigenen Kräften erhalten, Beweise genug sowohl von der Güte ihrer Verfassung, als auch von ihren bürgerlichen und sittlichen Tugenden, die doch immer die Frucht nur einer wahren Kultur seyn können. Freylich hat ihre gute Verfassung von einiger Zeit her nachtheilige Veränderungen gelitten, von der allgemeinen steigenden Sittenverderbniss ist auch sie nicht unangestekt geblieben, geschwächt von den vielen Kämpfen, und entkräftet von den schweren Wunden, die man ihr geschlagen, und nicht mehr in ihrer ehemaligen Reinheit befindet sie sich jetzt in einem kränkelnden Zustand; indessen hat doch des Kaysers Aug ihren Werth nicht verkannt. Was und wo es dieser Nation fehlt, weiss ich wohl; aber ich weiss auch, dass wie durch einen elektrischen Schlag gewekt, in nicht gar langer Zeit sie wieder dastehen könnte, eine frisch grünende, fruchtvolle Eiche, fest, stark und strebend, aber – es giebt so viele der abscheulichen Aber! –
Sie äussern den Wunsch, Edler! Guter! der Sachse solle sich für einen Unger halten. Aber wie kann er das? da er wohl ein alter Siebenbürger, aber kein Unger ist. Abkunft, Sprache, Geseze, Gebräuche und in Siebenbürgen, selbst die Religion unterscheiden ihn wesentlich von dem Unger. Zwar sehe ich aus allen von Ungarn herkommenden gelehrten und politischen Anzeigen, auch aus dem ungrischen Plutarch, dass da Alle, die in Ungarn gebohren sind, oder wohnen, durch die Bank, sie mögen von was immer für einer Zunge seyn, Unger genannt werden, obgleich viele keine Unger, sondern nur Ungerländer sind. Der Sekler in Siebenbürgen ist doch der ältere Bruder des Ungers, an Sprache und Abkunft ihm gleich, und doch nennet er sich zum Unterschied von dem Unger, Sekler. So pflegt man hier auch den Ungarländer Unger, von dem Siebenbürger Unger, oft zu seinem Vortheil zu unterscheiden. Aber selbst in der diplomatischen Sprache heisst ja die Grundverfassung Siebenbürgens trium nationum. – Wie der Elsasser sich einen Franzosen nennt, so müssten sich der Siebenbürger und der Ungarländer Österreicher nennen, da jener unter dem französischen, diese unter dem österreichischen Scepter stehen. Indessen was kommt auf die Benennung an? Gute Staatsbürger, Menschen sollen wir seyn, einer wie der Andere, von welcher Zunge er auch seyn mag. Rechtlichkeit, Rechtschaffenheit, Biederkeit und Humanität geben dem Menschen Werth und adeln ihn zum Menschen. Gewiss stimmen Sie hier mit mir ein.
Da aber, geehrtester Freund! haben Sie doch wohl nur gescherzt, oder sich gar verschrieben, wo Sie die Forderung an den Sachsen machen, dass er den Vortheil des Ganzen seines Vortheils wegen nicht aus den Augen verlieren solle. – Eine Nation, die an Grund und Boden 1/6 des Landes besitzt, und über den dritten Theil zu den Staatsbedürfnissen alle Jahre beyträgt, und wenn bei Subsidien auch der steuerfreye, zahl- und geldreiche Adel mit dem Lande concurrirt, wieder ein volles Drittheil des Anschlags darbringt. – Eine Nation, die, 1/10 nur der gantzen Volksmenge, ausser den Rekrutten, die sie zur Ergänzung der Regimenter verhältnissmässig abgiebt, zu zweymahlen während eines Krieges ein Bataillon Jäger aus ihrer eigenen, reinen Mitte zum Dienste des Vaterlandes ins Feld gestellet hat, von denen das zweyte in Frankreich, nicht für Siebenbürgen allein blutete, die thut doch wohl etwas für das Ganze zum Vortheil des Ganzen. – Ich will diese Züge nicht durch Vergleichungen schattiren. Wenigstens aber scheint so in sich eingeschrumpft und durch ihr freyes Wohlleben, wie Ihre Schilderung von ihr sich ausdrückt, entnervt, eine solche Nation doch nicht zu seyn.
Sie fragen: Warum hat ihr Land, nehmlich das Sachsenland, nicht mehr als eine Buchdruckerei? und die ist so schlecht sagen Sie, und ohne Beschäftigung! ich antworte: In Hermannstadt sind zwo Buchdruckereyen, und die zweyte verbindet mit der teutsch-lateinischen, auch eine walachische Druckerey. Kronstadt hat auch eine lateinisch-teutsche und walachische. Mediasch und Bistriz haben auch ihre Druckerey, und vor ein paar Jahren hat ein Hermannstädter Sachse dem Piaristen-Collegium in Klausenburg eine dort eingerichtete Druckerey geschenkt. Dass ferner die Hermannstädter Druckerey, von der Sie reden, so schlecht und unbeschäftiget sey, wüsste ich nicht. Sie druckt fort und fort: Dicasterial-Arbeiten, Kirchen-, Gesang- und Gebet- und Schulbücher für alle sächsischen Gemeinden in Siebenbürgen. Mitunter werden jedoch auch gelehrte Schriften gedruckt, obgleich die Bücher dieses Fachs mehr aus dem Ausland bezogen werden: denn in einem Land, (ich rede von gantz Siebenbürgen) das über 2/3 aus noch rohen Inwohnern walachischer Zunge bestehet, hat die gelehrte Schriftstellerey wenig Abgang zu hoffen. – Im Sachsenland haben wir nur gut eingerichtete Gymnasien und Schulen in jedem Dorf, wo nebst dem Religions- und Sitten-Unterricht, Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt wird, aber keine Universität, wie in Klausenburg und was wird da gedruckt? Was wird aus den Collegien in Enyed und Vásárhely zur Presse gebracht? ob da gleich nicht nur schlecht besoldete Schullehrer, sondern ordentliche und gut dotirte Professoren sind. – Und was soll der sächsische Gelehrte schreiben? Etwa Geschichte? Geschichte! Wie so manche geschichtliche und statistische Bücher liegen hie und da in Manuscripten schon seit langer Zeit in Pulten, wie Saatkörner in dem Erdreich verborgen, die nur den Keim treibenden Sonnenstrahl erwarten. Der patriotische Ungarländer, von welcher Zunge weiss ich nicht, der in dem oben zitirten Hesperus die böse Rezension des Piringerischen Werks von den Banderien rüget, sagt: „Es giebt Verhältnisse, welche nicht alles zu sagen erlauben; bevor man sich also entschliessen sollte, nur halb zu sagen, was ganz gesagt werden muss, wenn es einleuchten soll, so thut jedermann klug, lieber zu schweigen, als zu sprechen.” – So denken auch die Geschichtsforscher der Sachsen. Oder soll er philosophiren? O pauper Aristoteles! Denn mit Schöngeistrey und Roman giebt sich der Sachse, den nur reele und solide Wissenschaft anziehet, nicht wohl ab, um so weniger, da des Zeugs das schreibseelige Teutschland einen Ueberfluss liefert.
Warum, fragen Sie weiter, tragen die reich bepfründeten Pfarrer nicht Geld zusammen um ihre Schulen und ihre Lehrer auch so reich zu dotiren? Warum hat Schässburg nicht eine zahlreiche gewählte Bibliothek? Warum, könnte auch ich hier fragen, haben mehrere Städte Ungarns keine reiche Bibliothek? Ach derley Fragen, ja Fragen von noch viel grösserem Belang kann man in allen Ländern eine Menge thun. – Die wenigen reich bepfründeten Pfarrer unter den Sachsen haben Familie zu ernähren und viele Erziehungskosten für sie im Land und ausser Land zu bestreiten; dann auch poscit cum dote maritum sagt Palingenius. – Die Sachsen in Siebenbürgen haben keine Szechényi, Festetits und Millionäre Eszterházi; kein Palatin stehet an ihrer Spize. Einen Bruckenthal haben sie gehabt, und was der gethan hat, ist bekannt. Und – wissen Sie wohl, dass die Nation ihre Beamten, ob sie gleich öffentliche Beamten sind, ausser einem unbeträchtlichen Zuschuss aus der Landeskasse, gantz aus ihrem eigenen Beutel besoldet? Bezögen diese ihren Gehalt, wie die Comitatsbeamten aus der Landeskasse, wozu die Nation über alles Verhältniss ihres Grundbesizes beyträgt, was könnte und würde sie nicht mit ihren Allodial-Einkünften und Güter-Revenuen Schönes und Gutes stiften, zumahl wenn sie nicht unter einer so strengen Curatel stünde, die ihr 50 fl. aus ihrem Eigenen zum Gemein-Besten zu verwenden, vor eingeholter Begnehmigung, die oft nicht erfolgt, verbietet. Exempla sunt odiosa. Was, fragen Sie ferner, thun ihre Pfarrer für Aufklärung und Künste? Mancher freylich nichts; aber Mancher nach seinen Kräften genug, doch ohne Geräusch und ohne viel Aufhebens davon zu machen. – In Sachsen, bemerken Sie, siehet die Regierung darauf, dass die Prediger in der Aufklärung mit dem Zeitgeist fortschreiten, und fügen die Frage hinzu: geschieht dieses bey Ihnen? – Allerdings, in so weit der Zeitgeist Nachfolge verdient, wenn auch die Regierung nicht darauf siehet. – O mein Bester! Sie haben, wie ich aus Ihrem Brief sehe, mehrere Bekanntschaften mit Siebenbürgern von der ungrischen Zunge gemacht; von der deutschen Zunge hingegen schwerlich jemanden ausser unserem Comes und meiner Wenigkeit kennen gelernt, viel weniger auch nur mit Einem ein Stündchen sich traulich besprochen. Sie haben nur das Aeussere gesehen, ohne auch in das Innere ein wenig einzudringen, und bey mehreren Ihrer Fragen wollte ich Ihnen sogar die Quelle andeuten, aus der Sie sie schöpften, die übrigens, damit sie mich nicht etwa missverstehen, keine ungrische war. Kommen Sie noch einmahl nach Siebenbürgen und ich lebe noch, so sollen Sie etwas tiefer schürfen. Vorjetzt sey es genug, wenn ich so glücklich war, Ihr trübes Auge, mit dem Sie eine kleine Strecke des Sachsenlandes und nur leicht überblickten, durch diesen Brief ein Bischen aufzuklären. Wirkt aber das Collegium nicht, nun so bin ich wenigstens ausser Schuld; ob es mir gleich unangenehm wäre, da mir das Urtheil eines solchen Mannes, wie Sie sind, über meine Nation nicht gleichgiltig seyn kann.
Und noch was. Mir scheint, Sie thaten zu viel, dass Sie über den jungen Grafen, der Anstand nahm, mit einem bürgerlich-sächsischen Mädchen zu tanzen, so die Geissel schwangen. Der Sachse nimmt solche Geringschäzung nicht so hoch auf. Er belächelt sie, oder ist er etwa gar von warmer Natur, so sezt er dem adelichen Hochmuth seinen edlen Stolz entgegen und geht darüber hinweg. Auch, verzeihen Sie mir, kann ich es Ihretwegen nicht wohl billigen, dass Sie den Grafen Bethlen nicht schonender behandelten. Er war zwar ein Sachsenfeind; nun aber ist er todt und de mortuis nil nisi bene. Er hatte auch seine Eigenheiten, aber die Porphyrogenesie war die Krankheit nicht, an der er litt, und konnte es auch nicht füglich seyn, da er nicht von der fürstlichen Linie abstammte, kein Bethlen de Iktár, sondern de Bethlen war. Aus dem fürstlichen Stamm ist nur ein Spross noch übrig, der mit einer bloss adelichen Gattin wohl auch frische Sprösslinge getrieben haben mag, dem es aber gar nicht einfällt mit seinem Stammbaum sich viel zu dünken, ich besorge, Sie werden sich bei der Gf. Bethlenischen Familie kein Bildchen verdient haben.
Aber ohe jam satis est, das Blatt ist mehr als voll. Leben Sie recht wohl! und fest versichert von der ausgezeichneten Hochachtung, mit der ich bin etc. etc.