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Kazinczy Ferenc – Mailáth Jánosnak
Széphalom, 1817. január 13.

An den Herrn
Grafen Johann Nepomuk von Mailáth
Hochgeboren.
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Mich drückt eine alte Schuld, verehrter Graf: Ihr gütiges Schreiben, das meinem Stolz, wie meinem Herzen schmeichelte, liegt noch immer unbeantwortet vor mir. Vergeben Sie mir mein langes Schweigen. Ich kam eben von einer Reise in das von mir zuvor nie gesehene Siebenbürgen zurück, und war beschäftigt, meine dorther an den Grafen Joseph Desőffy geschriebenen Briefe zu überarbeiten, als mir dieses Pfand Ihres unverdienten Wohlwollens und der Aufmerksamkeit des Fr[ei]h[err]n v[on] Hormayr übergeben ward. H[ormayr] hatte mich auf seine von Merian verfasste Biographie hingewiesen; ich bestellte also das Werk, und verschob die Antworten an Sie; mein Herr Graf, und an Ihren Freund, bis ich das Buch erhalten würde. Auch war mein Wunsch, daß ich durch die Einsendung irgend eines Aufsatzes, Ihnen, verehrter Graf, und Ihrem edlen Freund beweisen könne, daß ich des in mich gesetzten Vertrauens nicht unwürdig war. Aber dieses Glück erwartet mich später; mir wollte bis jetzt nichts gelingen. Die Gottheiten, denen H[ormayr] dient, sind auch meine Gottheiten, und ich bekenne mich zu ihrem Dienste, wie der hochherzige Mann, den ich in Ihrem Freund, mein Herr Graf, anzusehn seit mehreren Jahren gewohnt war; aber meine wenigen Kräfte sind andern Gottheiten geweiht – Gottheiten, welche mit denen von H[ormayr] gewiß im Vereine sind.
Inzwischen sehe ich, daß das Archiv Ihres Freundes, mein Herr Graf, von mir auch ohne mein Zuthun einen Aufsatz erhalten hat. Einer unserer Gelehrten schreibt mir, daß er meine Recension der Berzeviczyschen Schrift, De conditione rusticorum in Hung[aria] an H[ormayr] eingesandt habe. Eben dieser Gelehrte sandte diese Recension an den Redactor der Wiener Annalen, H[e]r[r]n Consistorialrath Glatz, schon vor einigen Jahren ein; aber sie fand in den Annalen, sey es darum, weil B[erzeviczy]s Schrift ohne Erlaubniss der Censur erschienen war, und also ignorirt werden musste, oder weil die Verhältnisse des Redactors mit dem Verfasser der Schrift ihm B[erzeviczy]s Schonung anriethen, keinen Platz. B[erzeviczy] ist mein Freund seit 33 Jahren, und niemand liebt den edlen, talentvollen Mann mehr als ich: aber B. sagte hier vieles, was unstreitig falsch ist, und was unsere Nation auf die unverdienteste Weise entehrt. Seine exotische Bildung macht, dass er sich zwischen uns unbehaglich findet; ihm ist Nationalismus nichts, weil dieser etwas Einseitiges seyn soll, und weil wir in Ungarn (ich will seine Worte anführen) eigentlich keine Nation sind. Er ist Cosmopolit, und ihm ist Commerz das Höchste; er gäbe um dieses Alles, Alles hin – eine Denkungsweise, welche ich unsern Feinden wünsche. – B. hätte zu den Zeiten, die Collin in seinem Regulus darstellt, in Carthago geboren werden sollen. Schade um den vorzüglichen Mann! Schade, daß die heiligsten Gefühle in seinem Herzen erstickt sind, und daß dieses Herz während des Studiums der Geschichte der Griechen und Römer kalt blieb!
Freund Szemere schreibt mir, daß er glücklich war, Sie, mein Herr Graf, und den edlen Sohn des grossen Prónay, der gewiss nicht Berzeviczysch dachte, und H[e]r[r]n Prof[essor] v[on] Schedius bey sich zu sehen. Unbekannt ist es also Ihnen nicht, was in den Sachen unserer Sprache und Literatur vorgeht: Wir verderben die Sprache, weil das Publicum dasjenige, was wir arbeiten, nicht versteht, und weil in diesem Publicum, dem Verständlichkeit, welche an Plattitüde grenzt, und Sprachgebrauch das Allerhöchste in der Sprache ist, nicht einmal die besseren Köpfe sich zu dem Ideale aller Sprachen, und den Lehren, die Horaz und Cicero aufgestellt haben, erheben können – mich soll Stolz und Neid kitzeln, da ich Himfys allgemein geliebte Liebeslieder nicht allgemein schön, nicht ohne Makel finde, und die Verwegenheit hatte, sie zu recensiren; und der Beyfall des grossen Publicums zeige von der Vortrefflichkeit eines Werks mehr als die gründlichste Recension. Da ich sehe, daß hier Ansehn und Dünkel, so wie gekränkte Eitelkeit manches ungrischen Adelungs u[nd] Gottscheds [sich] ins Spiel mischt, so unterwerfe ich mich nicht ungern der gewiß sehr unangenehmen Mühe, den Kampf mit diesen Antipoden von Lessing, Klopstock, Göthe, Schiller, Wieland und Voss zu bestehen. Ich bin seit Octob[er] in meinem 58. Jahr, und dieses mahnt mich, meine wenigen Kräfte nicht zu theilen. Sähen meine Landsleute nach diesen meinen Bemühungen ein, daß auf diesem Wege auch wir einst Göthes und Schillers zwischen uns haben können, da wir sonst ewig auf der niedern Stufe stehn bleiben müssen, wo ein Ungar das, was Schiller schrieb, in deutscher Sprache verstehen, aber ins ungrische übersetzt nie verstehen wird: so habe ich nicht vergebens gekämpft. Solche Kämpfe entehren nur dann, wann sie entehrend geführt werden. – Der Sieg muß, wenn ich auch unterliege, meine Sache krönen, und wir haben schon auf dem Wege, welchen ich den meinen nennen darf, weil meine Gegner ihn den meinen nennen, Blumen gepflückt, die [sich] mit einigen der schönen Hellas und der schönen Ausonia – der neuen, wie der alten – kühn messen können. Kölcsey hat im 5. Hefte des Siebenbürg[ischen] Museums S. 141. ein Lied an die Phantasie gesungen, die eines Schillers und Matthissons nicht unwerth wäre, und wir haben von Szemere und Szent-Miklósy Sonnete, die werth sind zwischen denen des Sängers der Laura zu stehn. Unser Publicum, ja unsere Philologen und Kunstrichter lesen diese Producte taub und an jedem Sinne stumpf, und verstehen sie nicht; aber eine Dame in Siebenbürgen, die mit Bildung nicht stolzirt, sie aber gewiss hat, Gräfin Ignatz Kornis, hat die Epistel an meinen Schwiegervater, die in dem nehmlichen Museum, Heft 2. S. 93. steht, verstanden. Unsere Sprache gleicht dem Evangelium: Gelehrten ist sie dunkel, denen, die Gefühl haben, ist sie es nicht.
Ich bitte Sie, mein Herr Graf, ehrfurchtsvoll, den Beyschluß an den Freyherrn von Hormayr absenden zu wollen.
Die Aufmerksamkeit, deren mich Collins und Hormayrs gefeyerter Freund, der Sohn des grossen Mailáth, der Neffe eines andern, nicht minden grossen Mailáth, und der Cousin eines dritten, von mir sehr geachteten, mit Liebe bewunderten Mailáth würdigt, macht mich wirklich stolz, und ich bitte den Edlen um die Fortdauer seines unverdienten Wohlwollens. Auch meiner Nation wird endlich eine bessere Sonne leuchten, wenn unsere Schriftsteller von unsern Grossen gekannt werden. Széphalom, d[en] 13. Jänner 1817.
Kazinczy Ferencz.