Széphalom, den 10. Aug. 1809.
Stephan Töröks Briefe an mich lagen seit dem Jahr 1787 in einer Mappe zwischen meinen alten Papieren, und ich hatte sie seit so vielen Jahren nicht eher als eben gestern berührt. Ich blätterte sie durch, und ich will meine inconsequente, faßt sogar unfreundschaftliche Sorglosigkeit dadurch gut machen, daß ich sie einbinden lasse. Dieser Mann war als Student zu Patak mein Præceptor privatus, dann Contrascriba und Senior, ferner als er von seinen academischen Reisen (duch Göttingen in die Schweitz, wo er ein beneficium bezog) nach Hause kam, Hofmeister bey den Kindern des Generals
*Generalen [Átírással javítva.]
Graf Wartensleben in Essek und Wien, Prediger bey einer deutschen Gemeinde in dem Bácser Komitat, – zu Waitzen – zuletzt in
*in <Preßbur>
Losoncz. und starb ohne Dienst, weil er sich durch sein Kartenspiel und seine unverzeihlichen Ausschweifungen in dem Genuß der Liebe selbst bey den humanesten Vorstehern der Gemeinde zu Losoncz und des Consistorii verhaßt gemacht hat. Nun ist er todt, der einst so sehr vortreffliche Mann, und ich darf
*darf <Ih>
ihn bey Ihnen wohl so wie er war, schildern: – Zu Patak gehörte er unter die vortrefflichsten Köpfe; ich wenigstens habe keinen bessern dort gekannt. Allein schon da hatte er Lieblereyen, die nicht nur unerlaubt, sondern auch unklug waren. Er versprach hier einer Witwe, die er
gehabt hatte, mit seiner Rückkunft die Ehe; in der Schweitz machte er zwey anderen Frauenzimmern ein gleiches Versprechen. Beym Grafen Wartensleben
*Wartensleben <ke>
lernte er eine
ex N
onne kennen, die die Tochter eines ref[ormierten] Pred[igers] aus der Schweitz war; sie war häßlich wie der Tod, ein wahres S
kelett, und bösartig wie es ein hektikalisches Weib seyn kann. Diese heurathete er zu Waitzen, nachdem sie wieder kalvinisch geworden,
*Waitzen, |nachdem sie wieder kalvinisch geworden| [Betoldás a sor fölött.]
und diese war die Strafe seiner Verirrungen. Die Liebe
aller seiner Jugendfreunde hat der bedauernswerthe Mann verscherzt und das auf die aller muthwilligste Weise. In Losoncz spielte er die ganze Nacht am 24sten Xbr. Karten bis 9. Uhr früh; dann ging er in die Kirche, hielt die Predigt, theilte die Communion aus, und so wie er aus der Kirche kam, spielte er fort. Man brachte ein Kind zum Taufen. Er stand mürrisch vom Spieltisch auf, taufte das Kind nyargalva
*rennend [Megjegyzés a szó fölött Rumy kezével, halványabb tintával.]
, und setzte sich wieder zum Spiel. Sein Weib fand im Hof ein Billet, in welchem er eine Knopfstrickerin an einen bestimmten Ort bestellte, und ihr verdächtige Sachen schrieb; man paßte sie ab, fand sie beysammen, und nun wurde ihm der Hals gebrochen. Er ward verjagt. Kurz darauf starb sie, starb er, ohne Kindern
*Kinder<n>
. – Was ist das Schicksal
*das <Leben> |Schicksal| [Betoldás a törlés fölött.]
des Menschen! Erzittre vor dem ersten Schritte etc. fällt mir noch immer aus Gellert ein.
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In diesem Päckchen Törökscher Briefe fand ich einen von mir, datirt aus Eperjes, wo ich auf der Patvarie war, im Jahre 1781 den 8. März. – Ich muß ihn an Török nicht abgeschickt haben, oder ich schrieb ihn neu, und behielt den erstern, ich weiß nicht aus welcher Veranlassung. – Ich will das, was ich darin von einer Conversation bey dem Rector Carlovszky finde, Ihnen ausschreiben; wer weiß, ob Sie den Mann je gesehen haben. Ein besonderer Mann. Sein Äusseres war äusserst pedantisch. Als ich in Eperjes lebte, fiel folgendes vor: Der Staabs Chirurgus begegnete ihm bey dem Thore, wo man in die evangelische Kirche geht. Carlovszky, in einem Winterpelz, zieht den Hut von weitem ab, und fängt an seine Salutation: Clementissimus Dominus Deus benedicat. Der Achtlose glaubt einen Bettler zu sehn, greift in die Tasche und reicht ihm ein Almosen. Für uns junge Leute war das eine gefundene
*gefundene<s>
nouvelle du jour. – Doch die Visite!
„Den 4ten März nahm ich Herrn v. Koczok, der ihn bis hin nicht kannte, zu ihm. (Koczok war einst Togatus in Patak.) Koczok konnte das Lachen über die ewigen refraine des
Clementissimus bey aller Gewalt, die er sich anthat, nicht zurückhalten. Da es kalt war, bot er uns
apponere[,]
considere*
apponere[,] |considere| [Betoldás a sor fölött.]
etc. und das lange und fast mit Gewaltthætigkeiten. Ich weiß nicht auf welche Veranlassung (so schrieb ich dies an Török) gab er mir eine Διαθήκη in die Hand, und fing ein Gespräch über die Eucharistie an. Ich bat ihn uns zu sagen, welches Argument
*Argument <…> [Olvashatatlan szóból emendálva, majd kihúzva.]
bey ihm das gewichtigste für die Lutheraner zu seyn scheine. „Petiit illud ex Joan. VI.” setzte hinzu, er habe, als er zu Göttingen studirt hatte, eine Dissertation darüber gearbeitet, neque se satis mirari posse, quod argumentum hoc a Doctoribus Lutheranis negligatur. Er setzte dazu: er habe in Göttingen bey Heumannus gewohnt, „qui se in morte sua prostituit.” –
Ich. Qua ratione? –
Carl. Dixit se idem semper in negotio Eucharistiae quod Ref. sensisse. – Nun ward das Joannis VI. abgelesen. Koczok wollte antworten. Carl. fiel ihm in die Rede, und sagte ihm: Domine, si hoc non credis, es Capernaita. Non credis autem, quamprimum exceptiones formas. Wir waren der Zenkereyen müde und schwiegen.
Carl. Reformatus homo ad agnitionem veritatis evangelicae pervenire non potest. Ich sagte ihm, es däuchte mich am besten wenn man in der Theologie wie in der Philosophie eclectisch ist.
Carl. Eclecticus? Clementissimus Dominus Deus perdat omnes Eclecticos, veritas est unica; ergo homo non potest esse eclecticus.
Den 7ten März erschien ich mit meinem Freunde Koczok in seiner Vorlesung, wo eben Prolog. Disputation war
*Vorlesung, |wo eben Prolog. Disputation war| [Betoldás a sor fölött.]
, Walleithner war der Opponent. Die Thesis mag ohngefähr diese gewesen seyn. Ethnicus non potest salvari. Walleithner opponirte: 1.) Multis paganorum maiores fuerunt virtutis sectatores, quam sunt Christiani. Ich trat beym Schlusse dieses ersten Artikels ein. – 2.) Deus non est prosopoleptes. etc. 3.) Cornelius non fuit Christianus, et tamen placuit Deo.
Carl. „Ergo quid erat?” –
W. Ethnicus
Carl. Et tamen fuit melior homo, quam tu es, quia ille distribuit elemosynam sed tu non das. – Man sprach noch über Cornelius, und Carl. sagte, Cornelius sey schon Christ gewesen und sey in den Himmel gegangen, sed tu eo certe non ibis, stulte!
4.) Omnes hodierni Theol. Luth. statuunt ethnicos putuisse salvari. Carl. Nomines unum. W. Lessius. Carl. Alium. W. Zachariae. Carl. Adhuc. W. Mihaelis. Carl. Adhuc. W. Nösseltius. Carl. Adhuc. W. Credo tot sufficere Carl. Stulte! et sunt ne hi omnes? Dixisti omnes: sunt ergo hi omnes? Stulte! Perdat Deus, qui dicunt ista. Isti non sunt Lutherani.
Aus dieser Vorlesung gingen wir zu dem Pred[iger] Neustædter, der eben den Clarissimus Prelauf bey sich hatte. Wir erzählten ihnen, was wir Sonntags bey Carlovszki hörten. Sie fragten uns, ob wir ihn vor oder nach Mittag besucht haben.” – Alles dieses schrieb ich Ihnen aus dem Brief heraus.
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V
or oder
nach, gilt fast gleichviel. Wozu der Plunder von Gelehrsamkeit! nehmlich der
theologischen.
*theologische|n|
Freylich ist vieles besser jetzt. Aber ist
alles schon so gut, als es seyn
sollte? Ich blätterte dieser Tage in Herders theol. Schriften. Da der Leipz[iger] Rezensent seine Homilie über den Jüngl[ing] von Nain so sehr rühmte, so wollte ich mit eigenen Augen sehn, was an Herder den Prediger und Theol[ogen] sey. Ich fand die Rede Herders würdig. Der Glaube an die
*an |die| [Betoldás a sor fölött.]
Vorsehung ist ein
beglückender, ist ein
schöner, ist ein
poetischer Glaube; ich frage nicht, und ich will gar nicht fragen, ob er
*
[..] [Átírással javítva.]
die Feuerprobe aushælt. Er war, er ist, und wird ewig mein Glaube seyn. Nathan von Lessing und De Providentia des Seneca sind Bücher, die ich nie ohne einer religiösen Rührung aus den Hænde. legen kann. Ich fiel im Blättern auf die zwey Confirmations-Catechisationen,
*Confirmations <Pred.> |-| Catechisation|en|
die Herder hielt. So weit ich sie las, sind sie gar herrlich.
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Einst nahm mich H. Rector Potkonitzky zu dem H. Prediger
*Christian [Idegen kézzel a szó fölé írtva.]
Genersich in Kæsmark. Seine Bibl[iothek] stand offen, aber er war nicht im Zimmer. Wenn
*Wann [Átírással javítva.]
ich nicht irre, so ist das eben der Ort, wo ich dem Eigenthümer das nehmliche Compliment machte, welches ich dem jetzigen würdigen walachischen Bischof von Grosswardein Samuel Vulkán über die winzige Bibliothek des gewes[enen] Bischofs Darabant gemacht
[A vége hiányzik.]