Széphalom den 7 May 1821.
In Ihrem letzten Schreiben, verehrter Graf, hat mich nichts so sehr angezogen, als die schönen, treffenden, geistreichen Porträts. Die Ihnen die liebsten sind, sind es mir auch; und vielleicht zieht mich ein dunkles aber wahres Gefühl noch mehr gegen dem Arglosen, als den edlen freymüthigen. – Wohl könnte man aber über nicht Einen, sondern über Mehrere der Könyvcsinálók die angeführte Stelle sagen: Wie doch die Gelehrten so – wunderliche Menschen sind. Sie tödten in sich das Schöne muthwillig und wegen dem lächerlichsten aller Dinge – dem Dünkel.
Auch bin ich Ihnen, edler Mann, für Ihre Offenheit unendlich verpflichtet, mit welcher Sie mir Ihre Ansichten über Kisfaludis Sonette und Canzonen mittheilen. – Es wäre unbesonnen, albern wäre es sogar, daß alle Stücke in den Poesien dieses oder jenes Dichters gleich vortrefflich und gediegen seyn sollen. So wie in einem Gemälde bald Pinselstriche und die unvollendete Arbeit des Künstlers uns vergnügt, in dem andern das vollkommen Ausgearbeitete: so ist es auch mit Gedichten; und ist denn in Horaz, im Pindar, in Göthe alles gleich? Wahr bleibt unterdessen, was Metastasio über Petrarcks Sonette sagt, daß in
*daß <der> in
der ganzen Sammlung etwa 12 ohne Rüge seyn können. Ich hätte nicht Muth, hätte ich dazu auch Kraft sie gut zu übersetzen, vieles darunter für meine Arbeit ansehen zu lassen. So auch in Gemälden
grosser Meister – wo ihre Fehler nur das Alter heiligt. Ich scheine mir gegen Kisfaludi darum gerecht zu seyn, weil ich sein schöpferisches Talent gewiß so willig, so freudig nehme, wie
keiner seiner Bewunderer, und ich kann irrig, einseitig, mit meinem verwöhnten Geschmack über diese Gedichte urtheilen. Aber Gaal mag über seine Regék sagen, was er gut findet, so wie über den Geschmack der
ungarischen Schule; ich kann diese breit gehaltene Erzählungen, und dem Geschmack der ungarischen Schule gar keinen Geschmack abgewinnen, und sehr viele Sonette dieses unter uns unerreichten schöpferischen Genies beneide ich ihm ganz und gar nicht. Einige sind Excellent gedacht; kein großer Dichter Seiner Nation könnte sich ihrer schämen. Aber nimmt man nicht nur das Erdachte, sondern auch Ausführung dazu, wo ist das hier, welches sich mit Szemere’s
Remény messen dürfte. Schon ein Gedicht dieser
lieblichen Art in unscandirten Zeilen! Doch einige finden darin Stücke, welche aus lauter Trochäen zusammengesetzt sind. Ich erinnere mich nicht auch nur eine Zeile solcher Füsse gefunden zu haben.
Sie, mein Herr Graf, wollen den 12 § meines Aufsatzes über unsere Prosodie mit meinem Namen bezeichnen. Was ich dort gesagt habe, weiß ich nicht, weil ich keine Abschrift davon habe, und die Arbeit in voller Eile gemacht war. Thun Sie hier und in allem was Sie von mir sagen wollen, was Ihnen gut dünkt.
Balla hat in der Rec[ension] der Hetényischen Sonette über den Reim viel Wahres und Ersprießliches gesagt; ich möchte aber der Mann gern sehr der auch nur ein Gedicht von einem Bogen, nach seiner strengen Forderung, im Ungarischen, dieser reimarmen Sprache, reimen könnte. Ich habe Lust einen Aufsatz dem Tud[ományos] Gyüjt[emény] zuzuschicken über den Reim. Der Reim erweckt in uns Vergnügen durch die surprise, welche daraus entsteht, daß zwey ähnlich scheinende Dinge unähnlich sind, und eines dem andern unerwartet folgt. Ein Nomen in singulari und ein anderes Nomen in plurali gibt surprise, nicht nur ein Nomen u[nd] ein verbum. – Musen und Busen, und Jugend und Tugend gibt aber keinen sürprise, und also auch kein Vergnügen. Engem und zengem achteten meine Freunde in einem meiner Sonette nicht schön, weil in beydem das suffixum das én vorkömmt. Ich aber behaupte, daß diese zwey Reime excellente, und schon wegen dem süssklingende zengem sehr angenehme Reime sind. De gustibus etc.
Sallust und Cicero müssen mit dem lateinischen Text gedruckt werden. Dies ist ein vehikel um mit unserer
*um unserer [A „mit” a sor fölé írva.]
Jugend latein[ische] Classiker lieb gewinnen zu lassen, und das thut Noth. Dann aber wird mancher Leser sich an manchen Dingen in Sallust stossen. Dann blickt er in den lateinischen Text, und erräth, warum der Übersetzer den römischen Különöző so und nicht anderst hat reden lassen müssen. Retzer schrieb mir, er sey oft genöthigt Voss’s Homer aus den Händen zu legen, und dafür den griechischen in die Hand zu nehmen. Nur meine Bescheidenheit machte, daß ich ihn nicht zurückschrieb, daß Heyne in dem Übersetzer, welcher nicht für den Haufen arbeitet, dieses
lobt. Auch sah ich, daß der grosse Freund der gewürzten, stark gewürzten Literatur der Britten den seichten Grund seines Freundes Ratschky theilt, und das Platte im Deutschen dem Gewürzten vorzieht, und nebst Bescheidenheit ließ mich auch Klugheit schweigen.
In meinem gestern erhaltenen Schreiben lese ich, daß bey einer academischen Solemnität in Göttingen ein Magister dem Stil des Joh[ann] Miller hoch empor hob. Einer unserer Landsleute machte dem Panegyristen Einwendungen, u[nd] sagte: nubes et inania captat etc. Heyne declarirte sich für den Tadler, ohne Millers grosse Vorzüge zu schmälern. Dieser vergleicht hierin Hormayrs Stil mit dem des Miller.
Hat jemand vor mir schon die Bemerkung gemacht, daß Schillers Sprache nicht deutsch, sondern englisch ist? Ich wage über so was nie öffentlich zu urtheilen. Aber auf diesen Gedanken brachte mich auch seine abscheuliche, oft mir (bey ihm und bey Wieland) unnöthig scheinende Wortmengung. Wir Ungarn thun hierin besser. Wir vermeiden das Fremde, und machen dadurch die Sprache reicher; aber mahlende fremde Wörter nimbus, gloria (Glorie) brauchen wir zur Verendlung unserer Idéen.
Wie der deutsche Ubersetzer der Erd[élyi] Lev[elek] dem Ungemach entgehe, das weiß ich wahrlich nicht. Ich war voller Erwartung, wie Sie mich aus meiner Verlegenheit den Weg finden lassen, den ich nicht traf. Ewig Schade daß ich auf mein gutes Glück nicht wagte, diese Briefe in ihren ersten Guß drucken zu lassen. Wäre nur dadurch die Liebe meiner Freunde nicht aufs Spiel gesetzt gewesen; ich hätte es gewiß gewagt. Winkelmann sagt in der Gesch[ichte] d[er] Kunst, die Kunst sey darum auf einem so niedrigen Grade bey uns, weil Genie seine Flügel dort wo ein König schaltet, nie entfalten darf. Quid interest, ob König oder Freunde uns hemmen? Diese sprechen uns immer zu, selbst Ihr und mein edler Freymüthige: du machst dir Feinde. Soll ich den Wunsch meiner Leser, oder ihr Bedürfniß, den schielen und nicht selten schalen Rücksichten einzelner Menschen nachsetzen? Ja, aber Feinde mir zuziehn? – Nun so erndte ich wenigstens den Beifall einiger Edlen. Was könnte all Gutes geschehen, wenn wir die fatale Prudentia nicht immer uns kalt zulispeln liesen! – Dank, Dank, Dank für die autogr[aphische] Geschenke. –
Herrliche Sachen in Igaz’ Zsebkönyv.
Und die edle Sprache eines Klauzál!!!