Ofen, am 8/4. XXI.
Hier folgen ihre Erdélyi Levelek; und ihr Aufsa[t]z über die Prosodie zurü[c]k. NB.
*zurü[c]k. Über [A „NB.” a két szó közé beszúrva; a hozzácsatolt szerzői jegyzet eredetileg a levéllap alján található, itt a levél után.]
Über die Ersteren, die ich mit vieler Aufmerksamkeit und grossen Vergnügen gelesen, muss ich ihnen nun meine Meinung aufrichtig und klar sagen, ich hoffe sie werden die Anstände die ich als
Überse[t]zer finde mir aufklären. Über
*aufklären <der meine ..> Über [A pont utólagos javítás.]
das Werk selbst so wie es vor mir liegt, habe ich keine weiteren Bemerkungen als jene die ich ihnen bereits früher mitgetheilt, ich sehe auch ein dass die Personenschilderungen, die häufig vorkommen ganz geeignet sind dem ungrischen Publikum ein erhöhtes Interesse für das Ganze Werk einzuflössen, und der Erfolg kan[n] nicht anders als brillant sein, aber eben hierin liegt die Schwierigkeit für den Übersezer, denn dem deutschen Leser ist Herr v[on] Naláczi und alle die Siebenbürger Herren durchaus gleichgültig, sie erregen weder
*sie <heben> <wegen> weder [A második törölt szó az első törlés javítása volt, majd törölve lett. A törlések bizonytalan olvasatok. A javítások a sor fölé írva.]
ein historisches, noch ein rein menschliches Interesse. Die
*Interesse. <Das Rest> Die [A törlés bizonytalan olvasat.]
persönliche Theilna[h]me die wir haben ist ihnen auch fremd, was sollen sie also an diesen Portraits finden?
*Portraits <find> finden?
und wie soll sich der Übersezer dabei verhalten? Um so schwieriger wird die Sache weil die Siebenbürger heikliche Leute sind, und wer sich ungrisch gelobt sieht, wird sich auch deutsch gepriesen wissen wollen, das Auslassen aller
*Auslassen <scheint> aller
Portraits scheint also wieder nicht möglich. Hiezu köm[m]t noch dass die Briefe selbst sehr viel schönes al[l]gemein Ansprechendes enthalten was dem deutschen Leser wil[l]kommen sein müs[s]te wie die historischen Daten, die Schilderung des Meszes u. s. w. es wäre also Schade, würde nicht das Ganze übersezt. Was soll ich thun? ich weis mir nicht zu rathen. Mir ist schon eingefallen ob es nicht gut wäre die allgemein ansprechenden Briefe von den Portraittirenden zu trennen, und theilweis in den gelesensten Zeitschriften erscheinen zu lassen? Abgesehen von der Eitelkeit jedes Menschen, der sich von einen Portraitmaler
*einen <…> Portraitmaler
wie sie gern malen läs[s]t, köm[m]t noch hinzu dass durch das hinweglassen der Portraits wenigst der dritte Theil des Ganzen ausbleiben müs[s]te, und zwar gerade der
*gerade <das was> der
Theil des Ganzen, der gleichsam den Kern bildet, um den sich das Andre wie ein Kleid anschmiegt. Soll ich den Ro[c]k hingeben und das Wesen des Werks auslassen? Soll ich das algemein Ansprechende neu umarbeiten, das heis[s]t an einen andern Faden aufreihen? Wird dann das Recensentenheer nicht losbrechen über mich, und was soll ich antworten? Was ich ihnen hier vertraulich schreibe, kan[n] ich es als Rechtfertigung in der Vorrede sagen? Sie sehen die Sache ist schwer, weit schwerer, als ich sie erwartet, oder im ersten Augenbli[c]k des Lesens entde[c]kte. Ich bitte um ihren Rath, ihre Weisung.
Für ihren Aufsaz über die Prosodie bin ich ihnen sehr verpflichtet, er hat mich tref[f]lich geleitet.
*tref[f]lich<e..> geleitet.
Den § 12 habe ich von Wort zu Wort beibehalten, darf ich nicht die Anmerkung beifügen dass er von ihnen ist?
Salust u[nd] Ciceros Catilinarien sind mir richtig zugekommen, ich danke ihnen gar sehr dafür. Machen sie nun, dass di[e]s alles bald gedru[c]kt wird. Sie schreiben Salust und Cicero sollen mit dem lateinischen Text gedru[c]kt werden. Warum? Es erschwert den Verlag, den Absa[t]z, weil es das Werk vertheuert.
Sie fragen mich einmal, worin ich andrer Meinung bin als Sie über Kisfaludi? Antwort: Sie tadeln die Zahl seiner Gedichte aus dem Grund weil ein drittheil schöner ist als das übrige. Dis ist allerdings wa[h]r, und
*wa[h]r, <aber> und
jeder Leser fühlt das auch, aber es werden sich nie zwei Leserdie, wenn sie die schönsten 100 Dal wählen sol[l]ten, in ihrer Wahl übereinstimmen würden. Die
*<Dis> Die
subjektiven Dichter (wie Kisfaludi) rollen den Faden der Empfindung
*<Ep> Empfindung
ab in das unendliche, und treffen bald mit diesen Leid ins Herz, bald mit jenen, weil die Empfindung, die sie erregt menschlich ist, in jeder Brust lebt, und der subjektive Dichter nichts
vor hat als das Wort, und die Vielseitigkeit der einzelnen Empfindung. Der subjektive Dichter gleicht einem Prisma, eine Empfindung belebt ihn sie bricht aber in tausend Stra[h]len. Wollen sie sagen ob Roth, ob Blau schöner ist? Mich wundert dass Kisfaludi nicht noch ein pa[a]r hundert Dal geschrieben hat. Ich bin überzeigt, er hätte es gekon[n]t, und sie wären so gut geworden, wie die vor uns liegenden. Er
*<Lesen> Er
ist im gleichen Fall mit Petrarca. Finden
*<Les> Finden
sie nicht auch bei diesem um die Hälfte zu viel? ich allerdings; und doch wäre es hart ein einziges Sonett aus zu lassen, denn es wird sich gewiss ein verwandtes Herz zu seiner Vertheitigung finden, und wir selbst, können wir gut stehn dass uns nicht in 8. Tagen gerade das Sonett gefäl[l]t was wir heute kalt betrachten? es darf ja nur eine schlummernde gleiche Saite in uns ertönen, oder die bereits
*die <klin> bereits
klingende sich anders stimmen. Hier haben sie die Verschiedenheit meiner Ansicht von der Ihren über Himfi.
Sie fragen mich einst um meine Meinung über Szemere,
*über <Him> Szemere,
Vitkovics, HorváthIstván, Virág, Thaiss, Jankovics. Der Erste ist ein sehr poetisches Gemüt (Ihren
*<Der> Ihren
Brief an ihn werd’ ich besorgen), er ist arglos wie ein Kind, wahrhaft kindlich, eine äus[s]erst seltne Erscheinung in unsrer Zeit. Als Dichter sehr anziehend, aber subjektiv. Als Kritiker nicht stark. Er wird hierin immer durch sein Gefühl regiert, was ausser dem Kreis seiner Empfindungen liegt, ist ihm fremd. Tóth Lászlós le[t]zte Ode lies[s] ihn kalt. Vitkovics ist ein guter Mensch mit mehr weichheit als man bei einen Epigrammatiker vermuten solte. Als Dichter achtungswert.
*Dichter <ge> achtungswert.
Horváth ist in rücksicht der Gele[h]rsamkeit oben an unter uns allen. Virág als Schriftsteller ist marmorglatt, aber marmorkalt, wie Jemand von Göthes natürlicher Tochter sagte. Sonst kenn’ ich ihn wenig, ein einzigma[h]l war ich bei ihm. Ausführlich finden sie meine Meinung über ihn in meiner Geschichte der ung[arischen] Poesie. Thaiss ist voll Eifer, aber doch etwas zu ungrisch. id est: das Ausland nicht genug würdigend. Jankovics ist ein ultratúdós, wie wir je[t]zt ultrás von allen Farben haben. So oft ich von ihm reden höre, fallen mir zwei Reden der Haushälterin Frau Linse in Kozebue’s Lustspiel „Sorgen ohne Noth” ein. Sie sagt zu ihren Geliebten, den Magister Schundrian, als dieser eben den Plautus citiert, „Da haben wir den Gelehrten, der nichts weis[s], als was ein Andrer zweitausend Jahr vor ihm gesagt
*ihm <gedacht und> gesagt
hat.”
Und bei einer andern Gelegenheit. „Wie die Gelehrten doch so dumm sind.”
Ich bin durch meine Magyarischen Gedichte so ziemlich mit den magyarischen Dichtern allen in Berührung gekommen, aber nächst Ihnen „qui mihi carus caeteros super omneis” ist mir Döbrentei der liebste. Er hat doch Geschma[c]k was den Meisten der Unsern fehlt und Konversazionsbildung, die gar keiner der Magyarischen Gelehrten besi[t]zt. Ausserdem ist er Gerad’
*er <gar> Gerad’
und offen, und tadelt freimütig, so dass ich was ich schreibe seinem Urtheil gern unterbreite und mit Zuversicht, weil er mir die Fehler, die ich begangen klar sagt. – Er reist morgen ab zu seinen Verwandten. Die unselige Spaltung unter den heimischen Schriftstellern bedauert Niemand mehr denn ich. Da ich übergetreten bin zur ungrischen Schriftstellerei werde ich mich auf alle Weise hüten Partei zu nehmen. Dem Ziel, das ich mir in literarischer Rü[c]ksicht geste[c]kt werd ich entgegen schreiten, unbekümmert was die übrigen sagen.
– Ich lege ihnen hier zwei Schriften bei für ihre Sammlung. Der Brief ist an mich von Heinrich van der Hagen aus Breslau. Er ist der gelehrteste unter den Altdeutschen Forschern. Die Adresse ist von der Hand des Kronprinzen von Bayern. Ich bat ihn um erlaubniss ihm ein Werk zueignen zu
*zueignen <A> zu
dürfen. Das beiliegende ist der Umschlag der bejaenden Antwort. Es ist seine eigne Schrift.
Für Jemand der gestern noch im Bett lag, und noch Heute Schmerzen (gichtische) in der rechten Schulter und Hand fühlt ist dieser Brief lang, die Schrift schlecht genug. Ich entschuldige mich über beides nicht, denn ich weis[s] dass Sie mich lieben. – Köffinger ist eben bei mir, und empfiehlt sich ihnen. Ihr Mailáth.
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NB. Abends: Ich öf[f]ne das Pa[c]ket nochmals um den Aufsatz über Prosodie heraus zu nehmen, ich brauch ihn noch.