Széphalom den 27. Nov. 1820.
Mein Bothe auf die Post in Ujhely nahm von mir einem Brief an Sie mit, und bringt mir einen von Ihnen, mein Herr Graf. Sie schreiben mir noch immer von Ofen, und meine Briefe gingen an Sie nach Nagy-Ugrócz. Doch diese werden wohl nachgeschickt werden. Erlauben Sie, daß ich aus Besorgniß, einige von diesen könnten irre gehen, hier manches nachhole.
1. Was von den Erdélyi Levelek zum Absenden fertig war, habe ich, Ihrem Geheiße nach, dem Grafen Anton, Ihrem würdigen Neffen, für Sie überschickt, und auch meine Notaten zu Ihrem Werk über die ungr[ische] Prosodie sind dorthin abgegangen. Die zweite Hälfte der Erdélyi Levelek blieb zurück, weil mir zu ihrer Umarbeitung seit der Zeit als unser Freund Döbrentei in Octob[er] bey mir war, keine Musse übrig blieb. Ich erwarte mit vieler Ungeduld Ihr Urtheil über diese verunglückte, sich selbst unähnlich gewordene Arbeit, und wiederhole was ich an Sie, mein Herr Graf, geschrieben habe, daß ich mit der Zurückerhaltung meines M[anu]S[crip]tes der Übersetzer meines Übersetzers seyn will. – Auch das wünsche ich zu wissen, wie Sie mit meinem Aufsatz über die ungr[ische] Prosodie zufrieden seyn können. Ich erwarte Ihre Befehle, und ich will mich über die Puncte, welche Sie mir vorlegen werden, ausführlicher erklären.
2. Mir scheint, Ihre Anthologie, mein Herr Graf, nahm von den Gedichten des Superint[endent] Kis nichts auf, entweder weil Sie darin viele übersetzte Stücke fanden, oder weil Sie Gedichte, die durch persönliche Beziehungen veranlaßt sind, als solche, deren Interesse allgemein nicht seyn kann, aus Ihrer Samlung
*[Helyesen: „Sammlung”.]
ausschliessen. Erlauben Sie mir zu sagen, mein Herr Graf, daß Kis, ohne Ungerechtigkeit in einer Anthologie für die Fremden ungenannt bleiben nicht kann. Gelegenheitsgedichte sind manchmal keine Gelegenheitsgedichte, und Pindar und Horaz sind nicht weniger große Dichter, als sie es sonst wären, weil ihre Oden den Namen dieses oder jenes Freundes an der Stirne tragen. Die Hochzeit-Ode an mich, ist gewiß die Krone des ungr[ischen] Liedes in ihrer Gattung. Wahr ist’s, Kis ist mehr Schüler von Jean Baptista Rousseau als von Klopstock und den Deutschen, Klopstock würde es meinem Freunde aber nicht nachsagen können, was er den Oden der Franzosen nachspöttelt, daß diese gereimte Dissertationen sind, ohne lyrischen Tanz. Kis’s Ode an Ignaz Festetics verdient auch aus moralischen Gründen, daß Sie sie bekannt machen; und ich glaube, Sie finden auch in seinen kleinern Liedern, quae tollere velles, mit Horaz zu sprechen. – Kis’s große Vorzüge sind seine schöne, correcte, liebliche, von unsern Contorsionen freye Sprache, die besonders seine Porsa so auszeichnet, daß ich in der eigenen Gattung nichts so liebliches kenne. In der Versification hat Kis das besondere, daß in seinen Alexandrinern (welche uns Ungarn eben so lieb und so unvergeßlich sind, als die deutschen sie durch ihre 5 füssigen Jamben ganz verdrängt haben), der in einen Vocalen ausgehende Reim mit einem andern, der in einen Consonant ausgeht, unerläßlich wechselt, wie im deutschen und franz[ösischen] der männliche und weibliche immer wechseln. Kis gab sich diese Fesseln, und unter uns ist noch niemand, der sich diese anlegen gelassen hätte.
Sie, mein Herr Graf, haben manche Kleinigkeit von uns andern aufgenommen, die ohne Schaden wegbleiben könnten. (Das Széphalom von Virág), ich bitte Sie inständigst, Kis nicht ganz auszulassen.
3. In den Fabeln nach Phaedrus, von Virág, (Ofen, 1819.) kommen zwey Hochzeitlieder (excellent nennt er sie Nászdal), welche sehr genialisch sind. Ich wittre, was er unter Rikolti und Pontyi gemeint habe, aber wirklich würde ich mich über den äusserst geistigen Schwank freuen, wenn er mir gälte. Üssd bokádat öszve kétszer, Én is eggyszer, három az – So wie man sagt: Három a’ táncz. – Und die Zeile Mátra ptrüsszent, Fátra ptrüsszent, beneide ich ihm. Fast möchte ich sagen, ich beneide Virág nichts mehr, als diese 2 Schwänke; und ihm beneide ich doch mehr, als jedem andern. Seine Übersetzung der Satyren von Horaz ist wieder bewunderswürdig gerathen. Was Wieland in der Ambubajar abzubrechen nöthig fand, das sagt Virág ganz, trotz seines Priester-talars. Und das zu sagen war nicht leicht.
4. Daß Sie, mein Herr Graf, Ihre Anthologie auch ungrisch herausgeben möchten, war längst mein Wunsch, und noch mehr, daß Sie Ihrer Übersetzung das Originale immer beylegen wollten. Für ungr[ische] Leser würde Ihre Anthologie fast zu magar ausfallen. 150 Gedichte für das Volk, in dessen Sprache diese gedichtet sind, wäre, glaube ich, zu wenig. Ich wünsche, daß Ihre Abhandlungen vorausgehen, und dann alles was unsere poetische Literatur besseres hat, nachfolge. Sie, mein Herr Graf, sind in Ofen. Virág und Szemere, und dann der doctissimus Hungarorum (wie Rom seinen Varro genannt hat) der Bibliothekar Horvát István, könnten Ihnen, was Sie nicht wissen können, weil für Sie die deutsche Literatur und Sprache bis jetzt mehr, wie die Ungr[ische] war, anzeigen. Hören Sie jedermann aus; ich schlage Ihnen sogar Verseghy vor, der mein Freund nicht seyn kann; es ist gut alles zu hören, u[nd] dann selbständig zu urtheilen.
5. Sie befehlen noch 4 Epigramme, damit die Zahl voll wird. Schmeichelhaft es für mich ist, verehrter Graf, durch Sie genannt zu werden, so würde ich Sie zu bitten wagen, daß Sie meine Ode, 1787 gedichtet, az Esthajnalhoz, und das Epigramma bey dem Grabe eines Säuglings aus Ihrer Sammlung herauslassen wollten, weil ich für einen plagiarius angesehen zu werden befürchte. Das Epigramm ist nach dem Leisten des Götheischen: Herzog Lepold v[on] Braunschweig geschlagen, und die jugendliche Ode erinnert stark an Stolbergs Ode gleiches Titels. Dafür wage ich Ihnen ein kurzes Epigramm artistischen Inhalts vorzuschlagen, das ich, ehe ich Ihren Befehl noch erhielt, selbst übersetzte:
Grazie schuf der Künstler mir an, Hoheit dem Apollo;
Hier der Erste bin ich: auf dem Olymp ist’s Apoll.
ANTINOUSZ. Kellemet önte reám Metszőm, fennséget Apollra; Én vagyok első itt: a’ nagy Olympon Apoll.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen, mein Herr Graf, eine Ode mitgetheilt habe, welche ich um das Jahr 1789. dichtete, verwarf, und vor ein paar Jahren umgearbeitet habe. Sie werden darin Klopstocks Manier erkennen, was die Sprache betrift [!]; übrigens ist sie
*übrigens <hat> sie [Az „ist” a sor fölé írva.]
an Bilder reich, vielleicht zu reich. Ich lege sie bey und überlasse es seinem guten oder üblen Schicksal ohne mich um dasselbe zu interessiren.
An Sallust u[nd] Cicero habe ich seit 2 1/2 Mon[ate] keine Zeile gearbeitet; die Weinlese, u[nd] Krankheiten der Meinigen haben mich untüchtig zu allem gemacht. – Ich lese jetzt Somogyi Gedeons Werk a’ Magyar Verselésről. Veszprém, 1819. Da bin ich wieder Recensent des Mondolat, weil die Recension dieses Werkes und ein Brief, welchen Somogyi Gedeon von mir zu lesen Gelegenheit hatte, gleich lauten. Scandirte gereimte Zeilen und ein Leoninisches Distichon sind gleich; ist also ein gereimter hexameter u[nd] pentameter nicht schön, so ist auch ein gereimtes und scandirtes Lied zu verwerfen. Petrarchas Zeilen scandire nur ich, u[nd] was dergl[eichen] sonderbare Behauptungen das von gelehrten Citaten strotzende Werk hat. Ich las es ohne aus meinem phlegma herauszukommen.
Leben Sie wohl, verehrter Graf! Wenn es jemand ist der sich über Ihre glückliche Herstellung herzlich freut, so freue ich es mich, und das gewiß auch ohne Bezug auf unsere Literatur. Ich kenne Ihren Werth, und bin stolz auf die Beweise Ihres unschätzbaren Wohlwollens.
Wollten Sie nicht die Gnade haben, Szemeres Sonett, welches Sie Isabelle genannt haben, mir im ungrischen mitzutheilen? Ich habe es noch nicht gesehen.