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Kazinczy Ferenc – Rumy Károly Györgynek
Széphalom, 1807. május 16.
Széphalom, den 16. May, 1807.

Herrn Prof. Rumy von Kazinczy

Mein Herr Professor,
für die gütige Aufnahme meiner prosaischen und poetischen, eigenen und fremden Beyträge danke ich Ihnen aufs verbindlichste. Auch fühle ich das schmeichelhafte, welches in der Einladung, mich an das Institut der oesterreichischen Annalen anzuschliessen liegt, ganz. Unternehmungen, wie diese Annalen, Ihre Zeitschrift und Kultsárs einheimische Nachrichten, nach allen Kräften zu befördern ist Pflicht jedes Menschen, der zu wissen glaubt, was eine Nation an Cultur gewinnt, wenn idéen, die einzelne Gelehrte beschäftigen, in Umlauf gebracht werden. Dem Abgange solcher Schriften schreibe ich vornehmlich mit das traurige Loos meiner Landsleute – wahrer: der ungarisch sprechenden Ungarn – noch wahrer: meiner biedern Glaubensgenossenen, den Kalvinern – zu, das der vortreffliche, mir noch immer unbekannte Verfasser des Werkes: Freymüthige Bemerkungen eines Ungarn über sein Vaterland uns nur zu gerecht vorwirft: „Schriftstellerey will in Ungarn nicht gedeihen!” – Ich fühle, wie geeignet solche Schriften sind, den Durst der Selbstgenügsamkeit, der isolirte Gelehrte zu befallen pflegt,*
befallen <sucht> pflegt,
zu verscheuchen, und sie durch Wetteifer und die geheimsten Fäden des Herzens aus ihren dumpfen Brüten zur Thätigkeit anzureitzen. Urtheilen Sie also, wie sehr ich mir angelegen seyn lassen kann, die Zahl der Abnehmer Ihrer Zeitschrift zu vermehren. Daß diese lange fortwähre und nicht wie alle unsere übrigen Unternehmungen dieser Art – das Kaschauer Ungr. Museum, mein Orpheus, und die Zeitschrift unseres sehr geschätzten Fr. des Herrn v. Schedius – ins Stocken gerathe, wünsche ich innigst. Das meiste kommt immer auf die Herausgeber und Redacteure solcher Werke an, und ich hoffe, Sie werden längere, trockene, nur wenige Leser interessirende Documente, die mehr in eine Sammlung historischer Kleinigkeiten als in eine eigentliche Zeitschrift gehören, aufzunehmen sich weigern. Dies hat meiner Erfahrung nach manche Abnehmer der Schrift, deren Titel zu behalten Ihnen beliebt hat, gegen dieselbe lau gemacht und zurückzutreten bewogen. Ich erwarte das*
[Az oldalhatáron tévedésből megismételve: „das das”.]
erste Heft Ihrer periodischen Schrift, so wie auch den Almanach mit vieler Ungeduld, und werde Ihnen freymüthig bekennen, welchen Eindruck sie auf mich gemacht haben werden. Daß Sie Recensionen ausschliessen, bedaure ich sehr. Die Annalen liefern zu wenig Artikeln von ungarischen Werken, und dies ist, dünkt mich, sehr weise gethan, denn wozu sollen sie Werke wie: Hungaria in parabolis oder das von Fejes und von Bárdosi, die den größten Theil ihrer Abnehmer wenig, vielleicht ganz und gar nicht interessiren, und der Nation nichts als Schmach bringen können, bekannt machen? –
Ich war stolz auf mein Glück, die Ihnen bewussten Codexe für Ungarn wiedererworben zu haben. Aber mein Stolz ist nun um vieles herabgestimmt. Hingegen flammt in mir der Stolz des Ungarns um vieles höher. Denken Sie die Freude: zu gleicher Zeit mit Ihrem schätzbaren Schreiben kam mir die Nachricht zu, daß eine Privatbibliothek des Vaterlandes vier andere dieser æhnliche Handschriften von meinem Leonardus, dem Arretiner, hat! Ihre Titel sind mir nicht bekannt, weil mein Freund im Lesen der Mönchsschriften ungeübt ist. Aber ich werde die Codexe in Original erhalten und schließe sie dann meinem Atila an.*
<zu> an.
Verseghis Aglaja und die eben erschienene Werke des Kisfaludy werde ich also recensiren, und die Recensionen für die Annalen Ihnen ungrisch zuschicken. Ich fühle, wie wenig mächtig ich der deutschen Sprache bin, und weiß daß es Vermessenheit ist in einer fremden Sprache zwischen Mænnern, die schön wie die Annalisten schreiben, aufzutreten. Ihre Güte, mein Herr Professor, wird mich entschuldigen, und mich von meiner Erbsünde reinigen. – Auch schicke ich Ihnen die biographie des um die ungr. Literatur so hochverdienten Révai Miklós bald*
[…] [Átírással javítva.]
ein. Ich habe in seine Worte nicht geschworen, ja, ich hatte Muth ihm zu sagen, wo ich einer andere Meinung, als er, war, aber ich bin gerecht zu bekennen, daß sein stupender Fleiß, sein glühender Patriotismus meine Verehrung, und seine Freundschaft für mich, die bis zu seiner letzten Stunde fortdauerte, meine dankbarste Liebe verdienen. In seinem Blut war viel Phlogiston: aber auch das ist nicht immer übel, und in seinem abscheulich gewordenen Streit mit Szabó Dávid und kürzlich mit Verseghy – wo doch Szabó und Verseghi unstreitig unrecht hatten, – betrug er sich anfangs sehr edel und gerecht. Er war durch sie angegriffen, und ward schwach, auf seine eigene Würde zu vergessen.
Machen Sie, ich bitte Sie sehr darum, mein Herr Professor, eine Erwähnung von dem unglücklichen Tod des armen Rosti in Ihren Blättern oder den Annalen. – Er ward, ehe er noch Staatsgefangener ward, schon hypochondrisch. Einsamkeit, Schrecken, das Andenken seiner, durch dieses Unglück hülflos gewordenen Mutter versenkten seinen Geist in die tiefste, schwarzeste Schwermuth. – Als er in Ofen saß, (1795. in Jan. oder Febr.) zerschlug er seine bouteille, klopfte eine Scherbe des Glases mit dem Schloß, das an seiner Kette hing, zu Pulver, und trank es. Er sah, daß er noch nicht stirbt, und nun zerschnitt er mit einer andren Scherbe sich an Hænden und Füssen die Pulsadern. Auch dies brachte ihm noch den Tod nicht. Nun schnitt er die grosse Ader an dem heimlichsten Theil seines Körpers entzwey, und erst bey diesem Schnitt entfuhr ihm ein unwillkürlicher Laut. Die Wache zeigte den Laut an; der Arzt war herbeygeholt, man gab ihm zum Erbrechen ein und verband seine Wunden. Er ward hergestellt, aber nun auch an Körper Krippel [!] so wie er dies schon am Geiste war. Ich war auf dem Spielberg und dann noch in Brünn*
noch |in Brünn| [Alulról betoldva.]
2½ Jahr sein immediater Nachbar und kannte ihn also sehr gut. Im May 1798 ward er entlassen. Seine Mutter fand er im Grabe. Er kam nach Pesth um sich durch Advocatie zu helfen, weil er gar nichts hatte, indem sein sehr früh verstorbener Vater alles durchgebracht hat. Der edle Mann Baron Joseph Orczy machte ihn zu seinem Haus Archivarius. Dabey betrieb Rosti die Advocatie, und fand sich nicht übel placirt. Aber Orczy starb 1804. und die Witwe gewann ihn, ihre drey Sohne aufs Land zu begleiten und sie*
und |sie| [Betoldás a sor fölött.]
dort im Ungr. Rechte zu unterrichten. Was dort vorgefallen seyn mag, weiß ich nicht: ich weiß nur, daß er in Ungnade bey*
Ungnade |bey| [Betoldás a sor fölött.]
der Witwe Orczy fiel, und daß diese sich nicht nur nicht grossmüthig, sondern nicht einmal gerecht gegen ihn betrug. Er kam wieder nach Pesth um die Advocatie hervorzunehmen. Diejenigen,*
hervorzunehmen. |Diejenigen,| [Betoldás a sor fölött.]
die er wegen Orczy abwies, waren gegen ihn erbittert. Er wandte sich an seine dasigen Freunde. Die waren dürtftiger [!], als daß sie ihm lange hätten helfen können. Er kämpfte mit*
mit <Noth>
Mangel, zuletzt gar mit Hunger. Seine Schwermuth ward gefährlicher, er schwärmte wahnsinnig auf den Gassen. Man fing ihn ein, und er ward in domo prætoria Comitatus Pest curirt. Sein daemon wich, aber nun kämpfte er mit Mangel und Hunger wieder. Den 24. Jan. jagte er eine Kugel durch den Kopf mit der hinterlassenen Rechtfertigung:

Amicis et benefactoribus immortales ago gratias:
Inimicis et iis, qui conctractӕ infirmitatis *) causa sunt, sincero
corde condono.
*) Anspielung auf die desorganisation seines Geistes.

Taedebat miseram sine vita degere vitam.
Quand on a tout perdu, quand on n’a plus d’espoir,
La vie est unopprobre, lamort est undevoir.

J. Rosti mpr.

Er war ein guter Kopf und ein rechtschaffener Mann. Seine Sitten waren von dem Magnatenton unsrer Laffen angesteckt, und der arme Mann wird sogar bey seinem Schritt aus dem Leben geglaubt haben, er thut etwas Cavalliermässiges. Sit ei terra levis! denn gravis war sie ihm, bis er an ihr wandelte, genug.
Daß Sie mir in der Sache des Csokonaischen Denkmahls im Namen aller Künstler stændigen Beyfall ertheilen, schmeichelt mir ungemein, und das Versprechen, den Ablauf dieser Streitigkeit zur Publizitæt zu bringen, freut mich aus einem weitedlern Gefühl als Eitelkeit und Autorkitzel seyn können. Wenn dort bloß die Frage obgewaltet hätte, ob ich oder meine Sugillatoren recht haben, da ich in der Charakteristik des Cs. ihn als einen Misanthropen à la Rousseau geschildert und die Weisen in Debrezin mein Wort für einen hæmischen Tadel ansahn, so hätte ich geschwiegen. Aber dieser Angriff schien mir die gewünschteste Gelegenheit, das beste Vehikel, die wahen Abderiten ihrer Infallibilitæt und pedantischen Allwissenheit vor dem Publ. zu zeihen, sie zu dem goldnen γνῶθι σεαθτόν zu bringen und sie einen weniger lauten Ton führen zu lehren. – Sie, mein Herr Professor, haben in Debrezin gelebt und kennen es also. Diese gelehrten Leute haben den Grazien nie geopfert, ahnen gar nicht, warum Amors Altar vor dem Eingang in die Hörsale der Weisheit stehen sollte, und wozu ein Socrates mit den Bildern seiner Schwestern sich beschäftigen mußte. Sie spotten der Lehre des Schönen; sie heißt ihnen luthrische Wissenschaft. Sogar Herr Császár – sey es mir erlaubt, ihn Ihnen, und bloß Ihnen zu nennen – ein Mann von sehr schönen Kenntnissen, ein Mann, der lange in Wien gewohnt hat und dort Politur und Geschmack hätte sich erwerben sollen, ein Mann, der wider die lourde*
lourde<n>
Gelehrten in Debrezin oft sehr bitter geklagt hat, der dort die deutsche und franz. Sprachen öffentlich gelehrt, – sogar ein Mann, wie er, ließ sich nicht nicht [!] nehmen, an einen Klopstock sey wohl nichts, der genialische Dichter des Liedes: Vor Alters war ein Gott von nicht geringem Ruhme etc. sey ein elender Bankelsänger und sonst gar nichts, und hofmeisterte an Wielands Styl und Dictionen. „Die Narren muss man mit Kolben lausen.” Proverb. XIII. Sagt ein alter Übersetzer der Schrift. Ich fand den Streit meiner nicht unwürdig, denn ich stritt für Recht, das nicht bloß Verfechter im Styl der Melanchthone, sondern auch der Luther‘ fordert. Wehe dem Manne, cui inertia pro sapientia est. Schämt sich ein Vay Jósef und Wesselényi Miklós nicht Hiebe in Landtags- und Comitatssitzungen zu geben, so wüßte ich wahrlich nicht, warum ich mich dieser Waffen schämen sollte.
Fazekas Mihály glaubt, es sey ein Plagiat Poussins Grabschrift*
<hier>
an den Stein des Csokonai zu setzen. – Ob er wohl weiß, – er, der auch einer derer ist, die alles wissen, dass*
<dem>
Knellern die Grabschrift des Raphael gesetzt wurde?
Wenn Sie, mein Herr Professor, diese Sache ausführlich behandeln werden, und denen Debrezinern, nicht im invectiven, sondern im belehrenden*
belehrenden [Átírással javítva.]
Ton etwas, was ihnen zu lernen sie fördern wird, sagen wollen, so werden Sie gewiß etwas sehr ersprießliches gethan haben. Ich habe ihnen ohne Personalitæten und, das weiß der Allwissende, gewiß nicht aus beleidigtem Stolz, in meinen Vorreden und Anmerkungen zu Sylvesters neuaufgelegten Grammatik, dem ersten (Krakkauer) Alphabeticon, und Varjas’s e vocálisú éneke manches gesagt, was sie nicht zu wissen scheinen. Auch dieses Werk wird seit 1805. gedruckt. Nun soll es bald erscheinen.
Wenn Sie die Güte haben werden wieder an mich zu schreiben, so bitte ich Sie, die Adresse so zu bezeichnen: par Cassovie, Sátor-Alja-Ujhely, à Széphalom, und lassen Sie mich wissen, woher ich den Almanach erhalten soll, da er nicht durch die Post, wie die Zeitschrift, verschickt wird. Aus den Hænden Ihres sehr schätzbaren Anverwandten, des H. Joseph Rumi, würde ich es am sichersten erhalten können.
Ich verharre mit wahrer Hochachtung
Mein Herr Professor
Ihr
gehorsamster Diener
Franz Kazinczy.


Nekrologie.

Am 24sten Januar 1807 machte Hr. Johann von Rosti, ein glücklicher lateinischer Dichter, vor einigen Jahren Notär bey der Districtual-Tafel zu Güns (Ginsium, Kőszeg) und in seinen jüngsten Jahren Jesuit, alt 50. Jahr, seinem durch Melancholie getrübten Leben durch einen Pistolenschuß ein Ende. Man betrachtete ihn als einen phychischzerrütteten, und sein Leichnahm ward in dem Freudhof [!] des Krankenhauses zu Pesth zur Erde gebracht.
Am 24sten Febr. 1807. starb Herr Georg Comáromi von Kój (nicht Kom etc.), ehemals General Perzeptor, weiter Ober-Notär, dann Praeses Judicii Subalterni der unter Josephs Regierung vereinigten nun wieder getrennten Gespannschaften Abaujvár und Torna, auch Vice-Curator des Collegiums zu Sáros-Patak, zu Sellyeb, Gegend von Kaschau. Er war 1790. Repräsentant des Abaujvárer Comitats beym Landtage zu Ofen.
Am 15. Apr. 1807 starb zu Pesth Baron Ladislaus Orczy, k. k. Kämmerer und Geheimer Rath, Commandeur des St. Stefan-Ritter Ordens, und Ober Gespann von Abaujvár im 57. Jahre seines glänzend durchgelebten Alters, von jedem Redlichen betrauert. Er war Sohn des 1789 verstorbenen Generals Laurentius Freyherrn v. Orczy und jüngerer Bruder des 1804. verstorbenen Josephs, Obergespann von Zemplin (1792–1800.) Er war auch als ungr. Dichter rühmlich bekannt, und in der Sammlung der Gedichte seines Vaters, die Prof. Révai herausgab, sind*
<ist> |sind| [Betoldás a sor fölött.]
manche Stücke von ihm. Pesth verdankt ihm seine Verschönerung durch den berühmten Garten, der seinen Namen führt. Er hinterließ eine Wittwe, geb. Gräfin Traun, aber keine Erben.
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Den 30. Apr. 1807 ist Hr. Stephan von Hatvani, Exactor des Biharer Comitats, und Sohn des einstigen Professors zu Debrezin gleichen Namens, unter der durch den*
<Groß>
Herrn Bischof zu Großwardein Franz von Miklósi in der bischöflichen Capelle gehaltenen Messe zur catholischen Religion übergetreten. Vor ein paar Jahren machte er dem römischen Hofe durch seine mit dem Nuncius zu Wien gepflogenen Correspondenzen Vorschläge zur Vereinigung der drei christlichen Religionen, ja, er wagte sogar Sr Heiligkeit das Oberhaupt der römischen Kirche um eine Erläuterung seines schwankenden Geistes anzuflehen, der ihm gereicht wurde und nun wiederfuhr. Er ist anonymer*
ist Verfasser [Betoldás a sor fölött.]
Verfasser einiger deutsch verfaßten brochüren. ––
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Eben erhalte ich die 4. Hefte der Annalen der österreich. Litteratur von*
[.]on [Átírással javítva.]
Patak, wohin ich sie ausgeliehen, zurück. Die Bibliothek daselbst hat sie sehr liebgewonnen, und sie schon bestellt. Daß dort auch Ihre Zeitschrift bestellt werde, wird meine Sorge seyn, und ich will heute noch Ihre Ankündigung ins Ungr. übersetzen, und unserm Freund H. v. Kultsár zur Bekanntmachung zuschicken, denn viele Ungarn kennen ihr Werden noch gar nicht. Daß die Nahmen der Pränumeranten dem Werke vorgedruckt werden, ist sehr weise gedacht. Das lockt manchen eitlen leeren Kopf zur Abnahme an, und er fördert das Gute aus*
[..]s [Átírással javítva.]
Nebenabsicht, aber er fördert es.