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Kazinczy Ferenc – Mailáth Jánosnak
Széphalom, 1818. január 15.
Széphalom den 15. Jänner 1818.
Hochgeborner Graf,
Der Gedanke, eine Anthologie der ung[arischen] Dichter für die Deutschen zu sammeln, macht Ihrem Patriotismus, so wie Ihren Einsichten Ehre. Von Ihrem Geschmacke läßt es sich erwarten, daß Sie in in Ihre Sammlung nichts aufnehmen werden, was der Aufnahme nicht würdig war; ich würde Sie nur darum bitten, daß Sie die Originale der übersetzten Stücke und die Biographien der angeführten Dichter beydrucken ließen. Ihre Anthologie wird sogar unsern Dichtern und Versemachern sehr wohlthätig seyn; sie werden dann aus der Übersetzung sehn, was Gehalt hatte und was leeres Stroh war; denn wie viele sind denn der unsern, die, nachdem sie ein Lied, oder eine Ode gedichtet haben, und das Zeug nun fertig steht, sich die Mühe nähmen zu fragen, wie würde sich das in eine andre Sprache übersetzt, heraus nehmen? Meine Nyelvrontások rühren grossentheils daher, weil ich, da ich etwas mit mehr Sorgfalt in Prosa oder*
<und> javítva „oder”-re
in Versen gearbeitet habe, es für*
habe, für [Az „es” a sor fölé írva.]
mich allein, entweder aufs Papier, oder bloß in Gedanken, deutsch übersetze, und jede Zeile, jedes Wort, jede Wendung, jeden Ausdruck auf die Wagschale bringe, und so das gut befundene lasse, das nicht gut befundene streiche. Deutsch müssen wir nicht werden: aber was uns schön ist, muss für den Deutschen, Franzosen, Italiener, Engländer, Römer und Griechen schön seyn, oder es ist nicht schön. Was ich hier sage, nimmt auch einen falschen Sinn an, wenn man in dasselbe, ein solches hineinbringen will: aber wahr ist es gewiß.
Ich kenne unter den Arbeiten unserer neuen Dichter nichts schöneres Als Dayka’s Homályos bánat dúlja lelkemet und Szemere’s Sonett: a’ Reményhez, wohl auch Az Emlékezet. Dann folgt Kis’s Epithalamium mir gesungen, sein schön übersetztes oder nachgeahmtes Matthissonsche Lied Szerettim’ édes honja etc. und etwa noch seine französische Ode dem Superint[endenten] Nagy István gesungen. Ich spreche hier bloß von gereimten Stücken. Himfy’s Liebeslieder und Berzsenyi’s Lieder haben auch vorzüglich gute Stücke; aber sagen Sie mir, verehrter Graf, was kann auch das beste Lied werth seyn, wenn es nicht zugleich scandirt ist? Wahrlich nicht um viel mehr werth als Prosa. Berzsenyi hat eine Psyche, die zu die schönsten Stücke unserer Literatur gehört. Es ist wie eine Landschaft, in der magischen Tinte eines Sommer-Sonnen Niedergangs gemahlt; alles ist falsch, unbegreiflich, aber göttlich schön. Die ganze Geschichte Amors Liebschaft mit Psyche ist auch mystisch unverständlich. Ich würde dieses Lied meinem Berzsenyi mehr als alle kräftige Oden beneiden, wenn die Zeile Repdez, mint Noe galambja, nicht dabey wäre; wenn seine Reime besser (galambja láthatja, ideálját, bálványát, szárnyakon, gyujtson), edler (so wie Szemere’s berken im Haine und Serken aufwacht) wären; und wenn ich der letzten Zeile einen Sinn zu geben wüßte. Trotz dieser Mängel ist mir dieses sehr schöne Gedicht, schon wegen der magischen Tinte, und weil es mich in eine ächtpoetische Region hinüber zaubert, sehr lieb, und wird es mir ewig bleiben. Berzsenyis poetischer Werth liegt in seiner Kraft, in seiner Zartheit, in schönen Empfindungen, manchesmal auch Phantasieen und einer bezaubernden Sprache. Das, was viele in ihm bewundern, bewundere ich nicht, und Helmeczi gereicht es zur Ehre nicht, daß er S[eite] 4. Melancholia zum 2ten Stück gemacht hat. Ich habe Bs Gedichte mit eigener Hand zum Druck abgeschrieben, und ich habe diesem Gedicht eine Stelle zugetheilt, wo es mehr versteckt war. – Doch über alles dies werde ich Ihnen, mein Herr Graf, ein andersmahl mehr schreiben. Gönnen Sie mir nur Zeit dazu. Jetzt bin ich so wenig frey, dass ich mir die Zeit auch zu diesem eilig geschriebenen Brief wirklich nur stahl.
Superint[endent] Kis hat Horazens Briefe in gereimten Zeilen übersetzt. Der erste Theil erschien 1811. und jetzt sollen beide Theile gedruckt werden. Horazens Briefe in 12 Sylbigen unscandirten Alexandrinern*
Sylbigen Alexandrinern [Az „unscandirten” a bal margóra írva.]
könnte ein absurder Einfall genannt werden; Horaz kann hier nie mehr Horaz seyn, selbst dann nicht, wenn ihn ein Kis übersetzt. Aber Darüs Übersetzung in französichen Versen gibt Horaz doch: warum sollte ihn Kis nicht geben, der unter allen, die unscandirte gereimte Verse machen, am schönsten schreibt? Kis hat vor Jahren (vielleicht 1814.) sein M[anu]S[cript] mir zur Übersicht geschickt, und ich hielt das Werk bis jetzt auf. Der edle Mann vergibt mir: ich selbst kann mir hier aber nicht vergeben. – Wenn ich je etwas gekannt und verstanden habe, so kenne und verstehe ich den Horaz, und den Horaz liebe ich nirgends so sehr als in seinen Episteln. Da bewundere ich wie der grosse Dichter, der wirklich grosse socratische Weise, der abgeschliffene Weltmann und der grosse Linguist in eins zusammenfliessen. Kis gibt seiner Überzetzung auch Wielands Anmerkungen mit, und hier hat er sich die Arbeit sehr erleichtert: er hat ihn verkürzt – und ich finde hier nicht Eine Zeile, die wegbleiben kann, und seine verflochtene Perioden, die wie ein königl[icher] Strom dahinfährt, exundirt, alles überschwämmt (aber wie der Nil, nicht verderbend, sondern befruchtend), hat er gut französich in mehrere zerstückelt, damit sie leichter zu lesen sind. Ich habe nun Wielands Anmerkungen lieber etwas hart übersetzt, als dass Diese gewässert gegeben werden sollen, und ich bin seit einem Monath damit beschäftigt; die Arbeit ist bis auf 9 Bogen fertig, und seit dem 1. Nov. habe ich mehr als 900 Quart-Seiten zusammengeschrieben. –
Ersch in Halle-Leipzig*
in Leipzig [A „Halle” a sor fölé írva.]
treibt mich auch an, die Geschichte der Magyarischen Literatur für seine Encyclopoedie zu verfertigen, und ich habe noch nicht einmal die Feder angesetzt. Auch meine Briefe aus Siebenbürgen, die mir Graf Dezsőffy vorgestern zurückgeschickt hat, sollten ausgearbeitet, und durch mich selbst ins Deutsche übersetzt werden; denn mit mehr Anstrengung, als ich meine Briefe schreibe, kann ich das doch auch. Dieses ist was ich Ihnen, verehrter Graf, alles sagen müsste, um von Ihnen Vergebung zu erlangen, wenn ich Ihre Befehle säumend vollziehe. – Nehmen Sie hiezu, daß ich, trotz dessen, daß ich H[er]rn Baldovszki, den Sie aus Mosócz kennen, im Haus bey meinen Kindern habe, meiner Tochter, Ihrer Musicalischen Collega (wie Sie sie nanten) Lectionen im Ungrischen und in der Geographie gebe. Das letztere weiß sie besser, als nicht drey Studenten in Patak.
Vályi-Nagy mußte nézőid setzen, nicht barátid, weil das Metrum es so haben wollte, so wie ich azok. Der Sinn wird durch diese wo nicht erschöpft, doch assequirt; denn es ist so viel als Umstehende. – Ich setze auf meine Übersetzung gar kein Gewicht. Zwey gereimte, nicht scandirte Zeilen sind so viel als nichts, das sogar Mädchen zu leisten im Stande sind.
Ich beharre mit der innigsten Verehrung

Mein Herr Graf
Ihr unterthänigster Diener:
Franz Kazinczy.